Wir sind ein HISTORISCHES Rollenspiel und spielen im Jahr 15n.Chr. in ALARICHS DORF, WIDARS DORF und der römischen Stadt MOGONTIACUM.
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WETTER UND ZEIT
Jahr Wir spielen im Jahr 15n. Chr. Monate Mitte April - Mitte Juni Bitte berücksichtigt das in eurem Play Wetter Der April überrascht alle Dorfbewohner mit mildem, beständigem Wetter. Es regnet genug damit das Getreide wächst. Im Mai ist es sehr windig und regnersich. Es gewittert häufig. Der Juni ist der Vorbote des Sommers. Es ist angenehm warm, die Sonne scheint.
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Winter im Herzen, Verzweiflung und Schmerzen
Monat und Tageszeit: [Mitte April| Vormittags] Beteiligte Charaktere: [Dagny und thyra, und eigentlich offen für alle anderen, die hinzukommen möchten] Plot: [Dagny ist vor kurzer Zeit erst zurückgekehrt und macht sich Gedanken über ihre Zukunft. Sie hat viel verloren aber ihren größten Schmerz überwunden, fühlt sich jedoch noch immer etwas verloren. Sie sucht Rat.]
An diesem Vormittag hatte Dagny wie früher schon oft, ihren Schlafplatz verlassen und war hinaus gegangen. Sicher suchten sie schon nach ihr, war sie doch gerade erst vor kurzem in das Dorf zurückgekommen... Den ganzen Winter hatte sie noch in Siegmars Dorf verbracht, sie hatte fürchterliches Heimweh verspürt, doch schon zur Jahreswende war ihr klar geworden, dass sie sich nicht nur nach dem Dorf gesehnt hatte...sondern auch nach ihrer Mutter und ihrem Vater. Diese beiden würde sie wohl erst nach ihrem Tod wiedersehen, aber das Dorf...das sah sie nun jetzt wieder. Und sie wusste trotzdem nicht, wie sie damit umgehen sollte. Die Frau von Siegmar hatte ihr immer geholfen und beigestanden, sie hatte sogar begonnen, sich wohl zu fühlen...ein wenig wie zu Hause...und doch dachte sie immer an jene, die sie außer ihren toten Eltern noch vermisst hatte...Godwina...Ragnar...Jandrik...aber oh, es tat weh, an Jandrik zu denken! Genau so wie es weh getan hatte, damals...an Pera zu denken. Die Zeit in Siegmars Dorf hatte ihr geholfen, sich auch hiermit zurechtzufinden, auch hierüber hinwegzukommen, wie sie schon über so vieles hinwegkommen musste in ihrem Leben. Jetzt war sie zurück und lief an diesem milden Vormittag durch das Dorf, suchte sich Plätze im Gras, wo niemand sie beobachten konnte, wo sie nachdenken konnte...nachdenken darüber, was sie wollte, wohin ihr Weg sie führen sollte. Denn da war sie sich absolut nicht sicher. Ihre Gaben sagten ihr, sie solle einmal Wala werden...und doch...war da etwas in ihrem Herzen, was nach mehr rief...eine schmerzliche Sehnsucht erfüllte sie, sie fühlte sich allein...so völlig allein, auch wenn sie hier war, bei ihren Freunden, bei ihrer...Familie... Seufzend dachte sie an das Wort Familie...das Wort, was ihr Schmerzen bereitete, denn eigentlich...wenn man es wirklich wörtlich betrachtete...hatte sie keine Familie mehr. Das Dorf...Thyra...und ihre Freunde waren ihre Familie. Aber Blutsverwandte hatte sie keine mehr....niemanden... Sie sehnte sich so sehr nach etwas, nach jemanden...der nur für sie da war, wenn sie es brauchte... Aber wenn sie jemals eine Wala werden sollte, dann würde sie dies nicht haben dürfen...das war ein Zwiespalt, der sie ind en Wahnsinn trieb, der sie zum verzweifeln brachte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wie sie sich entscheiden sollte...und vor allem...hatte sie inzwischen nicht einmal mehr das Vertrauen in sich selbst. Auch wenn es ihr jetzt schon viel besser ging als noch im Winter.. In den Nächten sah sie immer wieder diese Szenen vor sich, wie sie ihre toten Eltern gesehen hatte...und wie dieser Römer sie auf sein Pferd gezogen hatte...warum hatten sie sie nicht auch einfach getötet, das wäre so viel leichter gewesen...dann wäre sie jetzt bei ihren Eltern. Was war das nur? Warum fühlte sie sich so leer manchmal und wusste nicht, was sie dagegen tun sollte? Verzweifelt ließ sie sich in das Gras sinken, versteckte sich in den Halmen und begann leise zu weinen...
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Der Winter war der härteste Winter in Thyras Leben gewesen. Sie hatte sich ihrem eigenen Schmerz um ihren Bruder stellen müssen, sie hatte darum ringen müssen, ihre Gabe zu behalten und das alles, ohne dabei ihre Pflichten als Wala zu vernachlässigend. Für einige Zeit war sie, trotz des tiefen Schnees und der mit Gefahren verbundenen Reise, zu ihrer Lehrmeisterin Helgrune gegangen und hatte diese um Hilfe gebeten. Und was Geroman begonnen hatte, war in den erfahrenen Händen der alten Wala zu Ende geführt worden. Thyras geschundene Seele war geheilt und die Wala mit dem beginnenden Frühling wieder erstarkt.
Sie kümmerte sich um jene, die sie brauchte und sie hatte sich auch bereit gefühlt, weiterzumachen, als Dagny wieder ins Dorf zurückkehrte. Dagny, die sie gebeten hatte, über den Winter in Siegmars Dorf zu bleiben, während sie selbst sich ihren inneren Dämonen gestellt hatte. Doch das Mädchen war nicht zu ihr gekommen und Thyra hatte es nicht gefordert. Dagny musste das aus eigenem Antrieb tun.
In der Zwischenzeit half Thyra in Bernwards Hütte aus, in der sie mittlerweile mehr oder minder heimisch war. Genauer gesagt hatte man sich vermutlich an ihre schweigsame Anwesenheit gewöhnt. An diesem Tag war Thyra mit einem Kräuterkorb über dem Arm unterwegs, um die ersten Hälmchen benötigter Kräuter zu sammeln.
Sie hielt sich ein wenig am Rand des Dorfplatzes aus alter GEwohnheit stets bereit, wenn jemand sie ansprechen sollte. Wohl nur deshalb hörte sie das leise Weinen. Und im nächsten Moment erkannte sie Dagny. Ruhig ließ sich die Wala neben ihrer Schülerin auf dem Boden nieder und streckte vorsichtig eine Hand aus und legte sie Dagny auf den Arm. "Kannst du darüber sprechen, was dich bedrückt?" Nicht alles ließ sich aussprechen, das hatte Thyra diesen Winter nur allzu oft erfahren.
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Dagny weinte ihren Schmerz der Unwissenheit heraus, so hatte sie es öfter getan in letzter Zeit. Einmal pro Tag mindestens...und sie hatte es vorgezogen, es allein zu tun, niemand sollte sie dabei sehen, niemand sollte es mitbekommen, denn sie wollte niemandem damit eine Last sein. Und so bekam sie jetzt nicht mit, wie sich Thyra näherte und neben ihr Platz nahm. Sie weinte einfach weiter, bis sie plötzlich eine Hand auf ihrem Arm spürte...
Erschrocken blickte sie auf und sah in das Gesicht von Thyra. Sie hatte in letzter Zeit Angst, zu ihr zu gehen. Sie hatte Angst, ihr zu sagen, was sie empfand, dass sie nicht wusste, ob sie jemals eine Wala sein wollte. Jetzt war sie hier...und Dagny musste sich etwas einfallen lassen. Sie murmelte ein schluchzendes "Heilsa..." und wischte sich mit ihrem Arm über die Augen, ehe sie durchatmete und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. "Ich...weiß es nicht...ich weiß nicht einmal, warum ich weine...nicht richtig...", sagte sie und sah die Wala etwas verzweifelt an. "Ich habe meinen Weg verloren...ich weiß gar nichts mehr...ich bin wieder hierher zurückgekehrt und habe geglaubt...jetzt geht es mir besser...aber...ich weiß nicht, ich...ich fühle mich ohne Sinn...ohne...Aufgabe...ohne...ein Zuhause..." Sicher, Dagny hatte ein Zuhause, sie hatte theoretisch auch eine Aufgabe. Sie hatte im Grunde eigentlich alles was sie brauchte...und doch...sie brauchte ihre Eltern..und sie brauchte noch etwas...etwas undefinierbares, etwas, von dem sie nicht einmal wusste, was es war. "Ich meine...ich hab ein zuhause, aber...ich...es fühlt sich manchmal nicht so an...kannst du...das verstehen?", fragte sie etwas scheu, vor Angst, die Wala würde wütend werden, weil sie angedeutet hatte, dass sie sich überhaupt nicht mehr sicher war, was sie aus ihrem Leben machen wollte...
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Als sie Dagny mit den Worten ringen hörte, ergriff Thyra sanft die Hand ihrer Schülerin. Oh, sie kannte es, wie es sich anfühlte, den Weg zu verlieren. Und sie wusste auch, wie schwer es war, darüber zu sprechen.
"Dein Leben ist völlig durcheinandergeraten, da ist das nur verständlich, Dagny!", erwiderte sie sanft. Sie seufzte leise: "Ich weiß, wie es sich anfühlt, den Weg zu verlieren..." Sie rückte ein wenig näher und sah ihre Schülerin eindringlich an: "Ich verstehe, dass es schwer ist, um Hilfe zu bitten, wenn man nicht einmal versteht, wobei man Hilfe braucht, aber versuche nicht, das alleine durchzustehen, das wäre zu viel für dich! Ich habe es durchaus ernst gemeint, als ich vergangenen Herbst zu Alarich gesagt habe, dass ich dich an Kindes Statt zu mir nehme. Und dieses Versprechen werde ich auch dann halten, wenn du feststellst, dass dein Weg nicht der meine ist, Dagny... Du brauchst keine Angst vor mir zu haben!"
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Fast erschrocken schaute Dagny de Wala an. Sie konnte Gedanken lesen, das musste es sein! Was dachte sie nur...natürlich konnte sie das, sie war die Wala, sie konnte spüren wie sie sich fühlte...was sie dachte...sie kannte es doch von sich selber! Sie hatte dieselbe Gabe...aber sie ahnte...dass diese gabe nicht ihre Berufung war, sie fühlte sich mit dem Gedanken nicht wohl, diese unheimliche Gabe, für die sie zwar Tanfana dankte, ihr Leben lang einzusetzen, als Berufung. Das war es, was sie beunruhigte, und der zusatz, dass es Regeln gab, die sie dabei zu befolgen hatte, Dinge, die sie niemals haben durfte, und das...brachte sie so durcheinander, ließ sie ihren Weg vergessen. Und dazu kam der Schmerz über alles, was sie verloren hatte und was sie suchte und nicht fand. Sie atmete durch und sah Thyra mit nassen Augen an, erwiderte ihren eindringlichen Blick. "Ich...ich wollte niemanden belasten, weißt du...ich weiß doch, dass ihr alle mit denselben Verlusten zu kämpfen habt...", begann sie. Thyra wollte für sie die neue Mutter sein? Trotzdem? Ein erleichterter Hüpfer ging durch ihr Herz, und sie nickte leicht. "Ich habe Angst...ja...die habe ich. Angst vor..der Zukunft. Ich weiß...dass ich mich nicht sicher fühle...dass ich glaube...dein weg ist nicht meiner...aber die Gabe mir trotzdem gefällt...nur eben nicht...als entgültige Berufung...als besiegeltes Schicksal...für immer...es ist schwer, zu akzeptieren, dass...dass man von Anfang an weiß, dass der Rest eines Lebens genau so aussehen wird...Tag für Tag...auch wenn man gerne mal etwas anderes machen möchte...andere Dinge erfahren...sich nach...bestimmten Sachen...oder...Menschen..sehnt...", erklärte sie stockend und vorsichtig. "Du...willst mich trotzdem noch aufnehmen? Willst...meine neue Mutter sein...mein Zuhause?", fragte sie irgendwie hilflos, als wäre sie erst 5, nicht fast 15 Jahre alt.
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
"Dagny, du bist noch sehr jung, dein Weg ist für dich noch verschwommen, das ist ganz normal! Und dass du jetzt Angst vor der Zukunft hast, verstehe ich... Ich hatte auch Angst, als ich so alt war, wie du, große Angst sogar... Auf mir lastete nämlich die Verantwortung für das Dorf... Meine Vorgängerin hier starb, da war ich acht Jahre alt, mir hat man da keine Wahl gelassen... aber du, du hast diese Möglichkeit und deswegen werde ich auch dafür sorgen, dass du sie nutzt... Niemand verlangt von dir, dass du morgen ein Gelübde ablegst, für immer Wala zu bleiben, das verspreche ich dir!" Thyra lächelte ein wenig. Sie verstand Dagnys Selbstzweifel nur zu gut. Hatte sie selbst doch in disem Alter auch oft mit den Göttern gehadert. Man war ohnehin so zerbrechlich in dem Alter, in dem man die Kindheit hinter sich ließ und erwachsen werden musste.
"Ich werde es versuchen, ja!", erwiderte die Wala fest, als Dagny sie ungläubig fragte, ob sie wirklich immer noch bereit sei, ihre Schülerin an Kindes Statt anzunehmen. Sie ergriff Dagnys zweite Hand mit festem Griff, "Es mag Tage geben, an denen ich das schlechter kann, als an anderen, aber ich werde es versuchen!" Sie lächelte ihre Schülerin an: "Warum sollte ich es nicht mehr wollen? Weil du so reagierst, wie jedes junge Mädchen in deiner Situation?"
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Dagny sah schweigend auf die Hände, welche von der Wala gehalten wurden. Ein warmes Gefühl begann sie zu durchströmen, als hätte die eine Verbindung aufgebaut. Es war so wie früher, als sie die ersten Male mit Tanfana Kontakt hatte...so ähnlich. Ein unendlich schwerer Stein begann sich von ihrem Herzen zu lösen und herunter zu fallen. Erneut stiegen Dagny Tränen in die Augen, aber diesmal waren es Tränen der Erleichterung. "Danke...", sagte sie nur, mehr brachte sie nicht heraus. Anschließend drückte sie sich an Thyra in kindlicher Manier, legte die Arme um sie und schlcuhzte erleichtert. Sie fühlte sich wie ein Kind, weil sie fast noch eines war. Jetzt, in diesem Moment, war sie als wäre sie erst 5 oder 6 Jahre alt, nicht auf der Schwelle des Erwachsenwerdens. Sie war eben zur Hälfte noch ein Kind, und als dieses brauchte sie eine solche Nähe, vor allem, da sie ihre leibliche Mutter nicht mehr hatte und sie schmerzlich vermisste. "Ich hab dich lieb...", sagte sie leise dabei..
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Körperliche Nähe war nichts, was die Wala kannte, wie auch? Aufgrund ihrer stets distanzierten Art hatte es kaum jemand je gewagt, diese unsichtbare Grenze zu überschreiten.
Dennoch war es für Thyra nicht unangenehm, als Dagny sich erleichtert an sie drückte. Sie erwiderte die Umarmung ihrer Schülerin, die nun auch ihre Tochter war und streichelte Dagnys Haar.
Ja, sie kannte das Gefühl, sich verzweifelt nach einer Mutter zu sehnen, die man nicht hatte. Erst im vergangenen Winter war Thyra an Dagnys Stelle gewesen, als ihr Band mit der Göttin gerissen war.
Die Worte des Mädchens führten jedoch dazu, dass Thyra sich auf die Lippen biss. Konnte sie die Erwartungen, die damit einhergingen erfüllen? Sie sagte nichts, sondern drückte Dagny nur kurz an sich.
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Das Mädchen, welches nun die Augen geschlossen hatte und sich an die Wala drückte, welche nun ihre Ersatzmutter geworden war, weil sie ihr das so versprach, merkte in diesem Moment nicht die Distanziertheit. Sie wusste darum, wie Thyra war, natürlich, und sie wusste auch, warum das so war. Und darum erwartete sie auch nicht, dass diese ihren Worten antwortete. Dass sie sie nicht von sich stieß, sondern sie auch umarmte, war ihr genug, für diesen Moment. Das hier war ein Augenblick, den sie genoss, den sie für sich behielt, der nur für sie bestimmt war, genau so wie sie es sich ersehnte. Und auch, wenn sie gerne noch viel viel mehr hätte, so war sie doch sehr froh, in der ganzen Leere ihres Daseins, die sie empfand, ein Stückchen Geborgenheit zu finden, etwas, zu dem sie gehörte, etwas, das irgendwie auch ihr gehörte. Dagny war im Prinzip das genaue Gegenteil von Thyra. Sie war sehr emotional, und auch ihre Gabe sprang geradezu aus ihren Emotionen hervor und ergriff auch ihre Emotionen im selben Maße. Sie spürte, dass Tanfana anders mit ihr verfuhr als mit Thyra, sie wurde nicht kühl...nein, Dagny war schon immer sehr emotional gewesen, auch wenn sie früher einmal stiller gewesen war als heute. Sie hatte alles in sich hinein gefressen. Erst als ihre Gabe in ihr erwacht war, begann sie auch ihre Emotionen zuzulassen und zum Ausdruck zu bringen. In gewisser Hinsicht war sie ein sehr kompliziertes Mädchen, dass zum einen Zuwendung und Geborgenheit suchte, zum anderen auch die Freiheit. Sie wollte sich zu nichts gezwungen fühlen, zum anderen brauchte sie etwas, jemanden, an den sie sich klammern konnte, wenn sie es brauchte, einen Anker, der sie vor dem Ertrinken rettete. Und in diesem Moment war dies Thyra. Dagny musste ihr vertrauen, denn wenn sie schon nicht sich selbst vertraute...oder in sonst irgend etwas...so brachte sie das Vertrauen der Wala entgegen, die sich um sie kümmern würde...die sich schon so viel um sie gekümmert hatte. Schließlich löste sie die Umarmung und sah Thyra nur an. "Entschuldigung...", sagte sie leise. "Es ist...mit mir durchgegangen...ich...ich wollte...dir nicht zu nahe treten...Thyra...Mu...Mutter..." Das letzte sprach sie stotternd aus, mit großen Augen. Sie hatte sie nun zum ersten Mal Mutter genannt, weil sie erkennen wollte, ob sie das nun auch wirklich durfte, oder ob das zu weit ging...
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Für die meisten Menschen kam es überraschend, wenn sie sahen, dass Thyra durchaus zu menschlichen Gefühlsregungen fähig war. Die meisten Menschen setzten die Schweigsamkeit der Wala, die nur allzu häufig auftretende Unfähigkeit, in einer Situation mit ihren eigenen Gefühlen UND denen der anderen umzugehen, die dann zu Verdrängung führte, mit Gefühllosigkeit gleich. Aber dem war nicht so. Hätte jemand sie jund Dagny jetzt gesehen, wäre das wohl augenscheinlich gewesen.
Und Dagny war anders als sie, das wusste sie. Sie selbst war auch nicht wie ihre Lehrmeisterin Helgrune, auch wenn es da durchaus Parallelen gab, genau so wie zu Thyras Amtsvorgängerin Auriane.
Sie lächelte, als sich Dagny entschuldigte: "Du bist mir nicht zu nahe getreten... Es kann sein, dass ich mir vielleicht schwertun werde... Immerhin bist du kein kleines Kind mehr, das den Eltern ZEit gibt, in diese Rolle hineinzuwachsen, aber dafür, dass du Gefühle zulässt, musst du dich nun wirklich nicht enschuldigen!"
Dass Dagny sie Mutter nannte, war ihr nicht entgangen, aber auch wenn Thyra nicht wusste, ob sie dem gewachsen sein würde, würde sie das Mädchen doch nicht daran hindern. Sie hatte, obgleich ihre leibliche Mutter damals noch gelebt hatte, manchmal ihre Lehrmeisterin Mutter genannt, einfach weil diese die Einzige gewesen war, die Thyra in einer bestimmten Situation hatte helfen können und weil ihr Vertrauen in diese Frau ebenso grenzenlos gewesen war.
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Dagny war in diesem Moment vieles...Die Verzweiflung war ein wenig zurückgetreten und hatte Erleichterung Platz gemacht. Eine Frage war ihr beantwortet worden...sie musste keine Wala werden, wenn sie nicht wollte, und sie wurde trotzdem aufgenommen, vielleicht sogar lieb gehabt. Von Thyra...dieser sonst so kühlen Person, der Wala, aber Dagny wusste genau, warum das so erschien. Sie hatte genau verstanden, was passierte...sie hatte erstaunliche Einsichten in Gefühle anderer Menschen, doch alles, was sie selbst betraf vermochte sie nicht zu sehen. Das war schon immer so, deshalb konnte sie auch nicht sehen, dass Thyra sie trotzdem aufnehmen würde, das hatte sie von ihr selbst hören müssen. Jetzt war sie noch immer leicht an ihre neue Mutter gedrückt, hörte zu, was sie sagte und lächelte leicht. Ja, sie fühlte sich noch immer im Moment wie ein kleineres Kind. Thyra hatte so viel Verständnis...das hätte Dagny ihr gar nicht zugetraut, sie hatte nicht gedacht, dass sie, Dagny, Gefühle in Thyra wachrufen konnte. Und doch hatte sie es, stellte sie lächelnd fest. Das gefiel ihr... "Ich bin froh, dass du...mich gefunden hast...manchmal denke ich, ich bin ein hoffnungsloser Fall und eine Belastung...du nimmst mich trotzdem auf...", sagte sie leise, als Wiederholung dessen, was nun geschehen war. Dagny war für einen Moment...glücklich. Diese kleinen Momente des Glücks waren es, die so wertvoll für sie waren...
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Gewissermaßen sah Thyra gerade ihrem jüngeren Selbst ins Gesicht. Auch wenn man es ihr nicht angesehen hatte, hatte Thyra bis sie ungefähr zwanzig gewesen war, immer wieder an ihrem Weg gezweifelt. Dann war ihr Band mit der Göttin stark genug gewesen, wie sie geglaubt hatte. Und doch war sie gestrauchelt und gestürzt, das blieb auf dem Weg, den sie ging nicht aus.
"Das hätten meine Worte an meine Lehrerin sein können, Dagny!", Thyra lächelte, "Ich habe mich auch einmal für hoffnungslos gehalten... Und nein, eine Belastung bist du nicht! Das ist niemand!"
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Dagny schaute mit großen Augen zu Thyra hinauf. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte, hatte sie Thyra immer für die selbstsicherste, stärkste Frau der Welt gehalten. Dass diese selbst einmal an ihrem eigenen Weg gezweifelt hatte, das klang ganz und gar unglaublich, und doch konnte Dagny das komplett verstehen und nachvollziehen, denn es ging ihr doch gerade in diesen Zeiten ganz genau so... "Du hast dich auch mal...für hoffnungslos gehalten? Wann war das...und was ist dir passiert?" In Erwartung einer spannenden Geschichte voller Dramatik und Selbstfindung sah Dagny ihre neue Mutter an. Was würde nun kommen? Hatte sie sich auch einst in jemanden verliebt? Wollte sie heiraten und strauchelte deshalb? Oder hatte Tanfana ihr eine schwere Prüfung auferlegt...?
Beiträge: 410 Mitglied seit: 10.12.2008 IP-Adresse: gespeichert
Ein schmales Lächeln huschte über die Lippen der Wala: "Nein, keine Geschichte voller Dramatik... Es fing an, als Auriane, meine erste Lehrerin und meine Vorgängerin in dieser Gaue, starb, als ich noch keine sieben war... Ich war sechs, als die Visionen anfingen und noch kein Jahr bei ihr, als die Götter sie zu sich holten. Nun, als ich zu Helgrune kam, hatte sie schon mehrere andere Schülerinnen, alle älter als ich. Und als ich sah, was diese konnten, war ich mir sicher, das niemals lernen zu können. Ich zweifelte daran, überhaupt würdig zu sein, einmal Wala zu werden... Nun, und ich hatte Heimweh, ich wollte zurück zu dem Leben, das das Meine gewesen war, bis die Visionen kamen, ich wollte zurück zu meinem kleinen Bruder und ich wollte wieder das Leben, zu dem meine Mutter mich erzogen hatte!" Die Wala seufzte leise und fuhr fort: "Und als ich gerade neunzehn Winter gesehen hatte, starben meine Eltern, kurz bevor ich als ausgebildete Wala in dieses Dorf zurückkam. Und mein Bruder wurde in der Varus-Schlacht schwer verletzt und unser Verhältnis war zerrüttet. Ich war noch sehr jung, um Wala zu werden und es gab Walas in unserem Zirkel, die offen an mir gezweifelt hatten... Und da begann ich erneut zu zweifeln. Ich sagte mir, wenn ich es nicht einmal schaffte, ein anständiges Verhältnis mit meinem Bruder zu erreichen, wie konnte ich dann die Verantwortung für eine gesamte Gaue übernehmen?" Sie lachte kurz auf, fast klang es ein wenig bitter: "Du siehst, Dagny, Selbstzweifel sind auf diesem Weg normal. Helgrune hat mir einmal gestanden, als junge Frau selbst mit ihrem Weg gehadert zu haben... Und Auriane hat in ihrem Leben bestimmt genug gesehen, um irgendwann auch einmal zu zweifeln und wohl auch zu verzweifeln..."
Beiträge: 218 Mitglied seit: 11.12.2009 IP-Adresse: gespeichert
Aufmerksam hörte Dagny Thyra zu und sah sie dabei mit großen Augen an, so wie ein kleines Kind, das seiner Mutter zuhörte, wenn sie ihm eine Geschichte erzählte, etwa wie zum Einschlafen oder in einer gemütlichen Märchenstunde am Feuer. Doch wusste Dagny, dies war kein Märchen, Thyra erzählte ihr den bitteren Weg ihres Lebens. Mit jedem Wort, welches ihr mehr von Thyras Leiden erzählte, wurde ihr Gesicht anteilvoller und mitfühlender. Thyra hatte wirklich furxchtbares durchgemacht früher! Sie hatte nicht nur selbst an sich gezweifelt, nein auch die anderen hatten dies getan, offen! So etwas zu hören musste das erniedrigendste überhaupt sein, das war so, als würde Tanfana selbst einen strafen. Und dann der Tod ihrer Eltern...das war so ziemlich genau das gleiche wie bei ihr! "Aber wenn jemand stark ist...dann bist das du...", sagte Dagny mit dünner Stimme, wie ein Kind, das einfach sagt, was es denkt, ohne darüber vorher nachzudenken. "Mit all dem...bist du fertig geworden...ich glaube manchmal ich schaffe es nicht...ich vermisse sie...beide...Mutter und Vater..." Natürlich wusste sie, sie waren jetzt beide bei den Göttern, sie waren stolz und frei von Leid...und doch vermisste Dagny die beiden...unwahrscheinlich. Und doch war sie so erleichtert, dass Thyra alles versuchte, um ihr eine neue Mutter zu sein, und das würde sie ihr niemals vergessen...niemals.