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Die Oberlausitz, das Osterland |
sachsenmietze | ||
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Gruppe: Administrator Rang: Lebende Forumslegende Beiträge: 8321 Mitglied seit: 13.05.2008 IP-Adresse: gespeichert | Pulsnitz, Bautzen, Weißenberg (Sorben) Auf der Reiseroute geht`s in die Oberlausitz. In Pulsnitz lohnt es, zu rasten. Hier sollte man Pulsnitzer Pfefferkuchen probieren. Jedes Mal, wenn ich hier ankomme, scheint die Sonne. Es ist ein milder Augusttag. Viele Leute tragen Zuckertüten unterm Arm. Bald ist Schulanfang. Aber in den Straßen riecht es nach Weihnachten. Der liebliche, verführerische Duft kommt aus den vielen Pfefferküchle-reien, die das ganze Jahr über Pfefferkuchen - längliche , viereckige, kleine, große, runde - herstellen. Mit Mandeln obenauf, mit Schokoladen- und Zuckerglasur. Man kann sie zu jeder Zeit kaufen, auch die Herzen, auf die mit bunter Zuckerfarbe geschrieben wurde: "Für mein Schätzchen", " Für immer Dein", " Ich liebe Dich", " Du bist mein".....Die älteste Pfefferküchlerei gehörte Tobias Thomas. Er hatte sie 1743 gegründet. Eine Tafel an der Hausfront kündet von alten Zeiten. Wie konnte in diesem Puppenstubenhaus gewohnt, gebacken, glasiert, verziert, verkauft werden? Wie so eine Küche ausgesehen hat und wie es zuging bei Pfefferküchlers, erfährt man, wenn man ein paar Kilometer zulegt - in Weißenberg. Dort steht das einzige Pfefferkuchenmuseum Deutschlands. Es ist nicht zu übersehen, das leuchtend gelbe, bescheidene Haus. Über der Eingangstür steht groß: Alte Pfefferküchlerei. Im Schaufenster des kleinen Lädchens liegen geschnitzte Pfefferkuchenmodelle, Topfformen, lustige, mit buntem Zuckerguss bemalte Pfefferkuchenmänner und -frauen neben Herzen, Hühnchen, Eseln, Wölfen, Schafen. Man sollte ruhig durch die niedrige Tür treten und sich die bunt bemalten Bauernmöbel, das Kücheninventar ansehen: Waagen, Kannen, Schüsseln, Töpfe, Tröge. Um 1683 entstand hier die erste Pfefferküchlerei. Aus dieser Zeit stammt auch der altdeutsche Backofen. Er wurde aus Ziegeln gebaut und hat eine gewölbte und beachtlich geräumige Backröhre, etwa zweieinhalb Meter tief und zwei Meter breit - da passte was rein. Südlich an Weißenberg führte die Handelsstraße Via Regia, auch Königs-, Salz- oder Pfefferstraße genannt, vorbei. Weißenberg wurde deshalb im 13. Jahrhundert zur königlichen Stadt erhoben. Ich stelle mir vor, wie sehnsüchtig die Küchler die Handelskarawanen mit den orientalischen Gewürzen erwarteten. Sie nannten sie Pfefferwagen. Weil sie bei ihnen die Gewürze für ihre Backwerke kauften, wurden aus den einstgen Labe- oder Lebkuchen die Pfefferkuchen. Gepfeffert wurden sie freilich nie! Da habe ich so gründlich in den Autoatlas geguckt und mich trotzdem verfahren. "Dunnerschtag und Freitag" (Verflixt noch mal !) würde jetzt der Oberlausitzer sagen. Ich suche nach einem Ortsschild. Nichts. Von einer Umleitung - fuhr ich in die nächste Umleitung, von da wieder in eine Umleitung - gelandet bin ich auf einem Feldweg! Überall werden Straßen gebaut. Jede Stadt, jedes Dorf sputet sich, bevor der Winter kommt. Rechts und links nur saftige Wiesen und geplügte Felder. Kein Mann, keine Maus. Oder hat Martin Pumphut, der sächsische Eulenspiegel, Narrgeist aus dem Dorfe Spuhla, seinen Schabernack mit mir getrieben? Noch heute soll er ja mit seinem spitzen, grauen Hut durch die Lande eilen und eine Gaudi daran haben, die Leute an der Nase herumzuführen. Ich weiß, dass man dem ewig Hungrigen immer etwas Essbares anbieten muß, sonst spielt er einem arg mit. Vorsichtig sehe ich mich um .... Plötzlich höre ich Motorengeräusch. Ich hatte doch noch Bemmen in der Tasche, kann er kriegen...Aber der da aus dem Auto steigt, hat keinen spitzen Hut auf. Er sieht erstaunt auf mein Brot, das ich ihm entgegenhalte. Er ist ein Irrläufer - wie ich. Sofort erkenne ich den Oberlausitzer. Er quirlt beim Sprechen"rrrrrr", weshalb man auch vom "Äberlausitzer Edelruller" spricht. Ich höre es gern. Es hat etwas Kraftvolles, Beruhigendes. Nicht alle Sachsen sprechen sächsisch. Es gibt Vogtländer und Erzgebirgler mit ihrer eigenen Mundart, und die Oberlausitzer mit dem unverkennbaren "rrrrrr", dazu noch eine kleine westslawische Minderheit, die Sorben. Dieses kleine westslawische Völkchen mit eigener Schriftsprache - einer obersorbischen in der Oberlausitz, die sich aus dem Bautzener Dialekt entwickelt haben soll, und einer niedersorbischen in der Niederlausitz, die zum Land Brandenburg gehört, hervorgegangen aus dem Dialekt um Cottbus -, verhalf diesem Landstrich, der "Äberlausitzsch", zu einem zweitem Namen: Osterland. Und das wird so bleiben, solange es Hühner gibt! Denn hier zaubert man die längst berühmten, kunstvollen, mit Ornamenten verzierten Ostereier. Jedes Jahr entstehen neue Unikate. Dabei zuzusehen ist ein Vergnügen. Mit Gänsefedern, deren Spitzen in eine Mischung aus heißem Kerzen- und Bienenwachs getaucht werden, zeichnet man die zierlichsten Muster auf die zerbrechliche Ware: Kreise, Blütenkränze, Pünktchen, Dreiecke. Für die winzigen Striche und Punkte müssen Stecknadeln herhalten. Sobald das Wachs fest geworden ist, taucht man das bearbeitete Ei einige Minuten in eine vorbereitete Farblösung. Die mit Wachs bemalte Fläche bleibt weiß, alles andere ist farbig. Sobald das Kunstwerk trocken ist, kann man es erneut mit Wachs bemalen und dann in eine andere Farblösung tauchen. Das kann so weitergehen, je nachdem, wie bunt die Eier sein sollen. Zuletzt wird das aufgetragene Wachs ein wenig erwärmt und vorsichtig abgewischt. Am Gründonnerstag beschenkt man mit diesen bemalten Eiern die Kinder. Und da die Verwandtschaft groß ist, kommt meist ein riesiger Eierberg zusammen - und der muss auch noch aufgegessen werden. Welche Tragik, dass dabei die Kunstwerke zerstört werden müssen! Aber bemalte Eier schmecken nun mal erst richtig gut, behaupten die Kinder. Und nicht nur sie. Längst hat diese Malkunst Schule gemacht. In ganz Sachsen und darüber hinaus gibt es Fans mit mal mehr, mal weniger gelungenen Malversuchen. Und nicht nur dieses österliche Brauchtum blieb lebendig: Für Aufsehen sorgen alljährlich aufs neue viele stattliche Männer - jüngere und ältere - in Frack und Zylinder, bereit zum Osterritt nach festgeschriebenem Ritual. Stolz, mit aufgerichtetem Rücken, sitzen sie auf dunklen, herausgeputzten Pferden, deren Schwänze oftmals bauschig gebürstet wurden, damit die weißen, handgearbeiteten, reich bestickten Schleifen gut zur Geltung kommen. Die Pferdeköpfe erstrahlen im Silberschmuck, das Zaumzeug ist mit Perlmutt besetzt. Einstmals wollte man mit diesen Ausritten die Dämonen bannen. Deshalb ging oder ritt man jedes Jahr, bevor man den Acker bestellte, um die Saatfelder. Später segnete der Geistliche, während man in feierlicher Prozession singend durch die Fluren wandelte, die Felder. Auch heute schallt der Gesang weit, wenn die berittene Schar zur Kirche, zum Friedhof und dann in die nächste Ortschaft reitet, wo Kaffee und Kuchen und Hochprozentiger bereitstehen. Ob der eine oder andere beim Osterwasserholen die Mädchen geneckt hat, wird nicht preisgegeben. Nachts, punkt zwölf Uhr, eine Nacht vor Ostern, wird das heilkräftige Wasser, das immer aus fließendem Gewässer stammen muss, geholt. Wer auf sich hält, wäscht sich an Ort und Stelle. Das Wasser, das nach Hause getragen wird, ist gut gegen Krankheit, Liebesweh und Warzen. Außerdem macht es schön. Warum habe ich mir eigentlich noch nie dieses Schönheitswasser geholt? Naja, das nächste Osterfest kommt mit Sicherheit bald.... Ich weiß nun, wie es weitergeht: Nach Dreikretscham. Dort wird geheiratet. Vielleicht sehe ich das Brautpaar. Der Wirt ist gestresst. Aber ich bekomme Zutritt. Ich möchte wissen, was man so auftischt auf einer sorbischen Hochzeit. Ich darf im Parkett sitzen. Die Braut trägt ein weiß glänzendes Kleid, keine Tracht, und einen langen Schleier. Der spielt noch eine Rolle - aber erst um Mitternacht. Gerade werden von den Gästen und Verwandten Geschenke überreicht. Alles geht nach Protokoll, dafür sorgt der Hochzeitsbitter. Er fordert, freigiebig die Hände zu öffnen und den jungen Leuten, je nach Vermögen, zur Erinnerung an diesen Tag und als Beweis der Freundschaft die zugedachten Gaben zu überbringen. Um die Braut herum stehen die Druschkas, die Brautjungfern. Schwarz gekleidet in kniebedeckten, weiten Röcken. Ihr zur Seite sitzt die Swonka, die Brautbeschützerin. Keine Minute darf sie von der Braut weichen. Sie hat die herrliche Tischdekoration bereitet: Schäfchen und Hähne aus Butter. Sie verkünden: Viele Kinder sollt ihr kriegen, liebes Brautpaar...Früher war es üblich, erfahre ich, dass die Braut die Federbetten mitbrachte. Heute sieht man alles lockerer. Der stattliche Mann in würdevoller Haltung im schwarzen Gehrock fordert erneut auf, die Hände zu öffnen. Er hat schon allerhand leisten müssen heute: Frühmorgens musste er die ankommenden Gäste im Hause des Bräutigams begrüßen und bewirten. Dann machte sich der Hochzeitszug auf den Weg zur Braut. Der Hochzeitsbitter mit schwingendem, bändergeschmücktem Stab vornean. Im Hause der Braut angekommen, hören ihm alle zu: "Hoch geehrte Gäste, Zuhörer und Zuschauer! Ihr wollt mir verzeihen, wenn ich vielleicht mit irgendeinem Worte mich versprechen oder nicht den richtigen Ausdruck finden sollte. Aber selbst ein Pferd stolpert mit seinen vier Beinen. Und ich habe doch nur eine Zunge! Wir haben hier unter uns zwei Personen, die in den heiligen , von Gott eingesetzten Ehestand treten wollen..." Jetzt geht`s zur Trauung und anschließend zum Hochzeitsmahl. - Die Tische sind abgeräumt. Einige der Hochzeitsgäste machen einen Verdauungsspaziergang, andere warten auf den Tanz. Gleich wird es losgehen, ununterbrochen. Im Saal nebenan wird es lebhaft, man tanzt und singt. Hin und wieder gibt der Hochzeitsbitter einen Schwank zum Besten. Verwandte und Bekannte schneiden in der Küche Kuchen auf. Die Tanten des Brautpaares reichen Kuchenteller herum. Bedienen ist eine Ehre. So üppig wird freilich nur bei Hochzeiten gespeist. Forts. folgt - max. Länge erreicht !
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13.07.2008 02:16:06 | ||
sachsenmietze | ||
Gruppe: Administrator Rang: Lebende Forumslegende Beiträge: 8321 Mitglied seit: 13.05.2008 IP-Adresse: gespeichert | Fortsetzung : Danach geht es auch bei den frisch Vermählten in der Küche sparsamer, aber nicht weniger schmackhaft zu. Das Lied von der Vogelhochzeit schallt herüber. Die Stimme des Hochzeitsbitters, des Lustigmachers, ist unüberhörbar : " Der Hahn, der Hahn, der Hahn, - Das ist der Bräutigam; - Das sanfte Huhn, das war die Braut, - Die ward dem Bräutigam angetraut. - Der Aar, der Aar, - Der kämmt der Braut das Haar. - Der Wiedehopf, der Wiedehopf, - Der bringt ihr den Pomandentopf." Während ich mitsumme, fällt mir ein, dass die Vogelhochzeit auch in der sorbischen Sagenwelt eine Rolle spielt: Am 25. Januar vermählen sich Rabe und Elster. Sie und ihre Vogelschar wollen an diesem Tag auch die Kinder verwöhnen. Besonders diejenigen, die die Gefiederten während des harten Winters mit Futter versorgten. So liegen als Dankeschön Süßigkeiten auf den Fensterbänken. Die Kinder fühlen sich in dieser Rolle als Hochzeitsgast sehr wohl. In einigen Dörfern flattern sie in Vogelkostümen durch die Straßen. Dieser Tag gilt der Vogelwelt. Um Mitternacht ist der Schleiertanz. Der Braut wird der Schleier abgenommen, sie ist nicht mehr Mädchen, sondern Frau. Die Stunde ist gekommen, wo der Hochzeitsbitter die Brautleute in ihr "Gemach" führen muss. Aber zuvor verabschiedet er die Braut von Eltern, Geschwistern, Onkeln, Tanten, Vettern, Nachbarn. Das macht der Redegewandte in pastoralem, ein wenig weinerlichem Ton - jetzt rollt so manche Träne...Eine sorbische Hochzeit dauert mindestens drei Tage. "Dunnerschlag und Freitag!"
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15.07.2008 01:36:15 | ||
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