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Beiträge: 3415 Mitglied seit: 26.03.2006 IP-Adresse: gespeichert
| dieser Brief erreichte mich heute, und ich hoffe auch, dass er anderen MUT macht:
Liebe Frau Farke, nun ist es also soweit, dass ich mich an das Forum wende, um allen anderen Eltern von WOW spielenden Kindern Mut zu machen, Grenzen zu setzen.
Im April 2006 wurde ich auf Ihre Seite aufmerksam und seither begleitet sie unseren PC Alltag: mal hier, mal dort schauen, und nicht vergessen, immer wieder auf onlinesucht.de vorbeizuschauen. Ihre Seite hat mir sehr geholfen, eine Gesprächsgrundlage und Richtschnur gegeben, um den Kindern klarzumachen, wo das Problem liegt.
Nun erst mal zu unserer Situation: Wir sind eine Familie mit 3 Kindern, der älteste ist 18 Jahre alt und seit August in der Ausbildung zum xxx (unkenntlich gemacht aus Wahrung der Anonymitaet, GF). Der jüngste ist 14 und ebenfalls, wie sein älterer Bruder, dem WoW Spiel ergeben.Zwischen den beiden Jungs ist noch eine Tochter, 16 Jahre alt, aber von ihr ist hier nicht die Rede, weder spielt sie noch chattet sie am PC.
Mein Mann und ich unterstützen uns gegenseitig, und bilden eine Einheit, wenn es um die Erziehung geht, und ich bin manches Mal sehr froh darum, dass ich vor den Jungs nicht allein stehe!
Durch einen ein Jahr älteren Freund kamen die Jungs sogleich im Februar 2005 zum WoW-Spiel, als es auf den Markt kam. Die beiden Jungs haben schon immer viel und gerne PC gespielt, aber vor WoW war das Problem nicht so gravierend, es war leichter für sie, aufzuhören, und sich an die damals schon festgelegten Zeiten zu halten.
Mit WoW änderte sich alles, aber es war so schleichend, dass es uns zunächst nicht auffiel. Es ging ganz, ganz langsam, aber es wurde immer mehr, die Zeit wurde immer länger, in denen die Kinder spielten, abwechselnd, sie teilten sich die Kosten für den Account.
Alle Eltern werden das kennen, wie alles sich ganz allmählich verändert, schleichend werdend die Spielzeiten länger und länger, und nachts wacht man auf und muß das Kind um 2.45h ins Bett schicken….
Wie es dazu kam, ist eigentlich auch unwichtig und vielleicht bei vielen ähnlich, ich möchte über den Ausstieg berichten:
Es war eine sehr große Hilfe für mich, eines Tages im Frühjahr letzten Jahres auf Ihrer Seite zu lesen, dass auch erwachsene Kinder, die zuhause leben, den Regeln des Zusammenlebens unterworfen sind. Ich hatte so oft gedacht, unser Sohn müsse doch jetzt auch selbständiger werden und eigenverantwortlich handeln, aber das war nicht der Fall.
Und somit haben wir die PC-Zeiten wieder eingeschränkt und neu festgelegt auf die Abendstunden, fernsehen und PC-Spielen NICHT vor 17.00h, denn nur Arbeitslose und Rentner können tagsüber fernsehen und spielen, wer zur Schule geht oder arbeitet, hat dazu tagsüber keine Zeit.
Das hat geholfen, und die Jungs haben sich daran gehalten, solange einer von uns zuhause war, aber es hat das Problem nicht wirklich gelöst. Die Jungs haben, egal wo sie waren, nur über das Spiel gesprochen, immer daran gedacht, sich ausschließlich damit beschäftigt.
Wir haben dann im Frühsommer oft darüber gesprochen, wie andere von WOW abhängig geworden sind, und haben, wo immer sich die Gelegenheit bot, über die Bekenntnisse diskutiert, manches habe ich ausgedruckt, und immer wieder kam das Thema dran.
Wir als Eltern haben das Spiel nicht verboten, aber es war uns sehr klar, dass hier grundlegend etwas passieren müsste. Manchmal kam ich mir vor, wie jemand, der die sprichwörtlichen dicken Bretter bohrt, aber Tag für Tag hat es ein bisschen mehr gebracht, und erstaunlicherweise war es der jüngere Sohn, der sich entschloss mit diesem Spiel aufzuhören, und dadurch auch den älteren in Zugzwang brachte, denn der wusste ja auch, was von ihm erwartet wurde, nämlich auch die Beendigung von WOW.
Das war dann vor den Sommerferien 2006 soweit. Der ältere begann dann die Ausbildung, hatte ohnehin nicht mehr viel Zeit zu spielen, weigerte sich aber, sich ganz und gar vom Account zu trennen, es war wie ein Hintertürchen, das noch bleiben sollte.
Im Herbst fing dann der jüngere wieder an, mit den Accountdaten von Freunden zu spielen, er selbst hatte ja keine Gamecard mehr gekauft, aber dennoch lief das Spiel wieder häufiger.
Um Weihnachten kaufte der ältere dann wieder eine Gamecard um während der Weihnachtstage ein wenig zu spielen, wie er sagte.
Im Auto, ohne das die anderen Geschwister dabei waren, haben wir Eltern uns dann unseren 18jährigen vorgenommen, und alles wieder aufgetischt, was wir in langen, langen Diskussionen schon so oft verhandelt hatten.
Er weiß dann selbst um alle die Probleme, er kennt das Sucht-Potenzial, aber kann dennoch nicht aufhören. Diesmal aber hat er auch zugestimmt, den Account endlich loszuwerden, und das haben wir jetzt auch tatsächlich gemacht, seit gestern ist das Spiel gelöscht, alles ist weg.
Ich möchte an dieser Stelle allen Eltern Mut machen, sich mit den Kindern auseinander zu setzen, letztendlich ist es erfolgreich, man kann und darf die Kinder nicht sich selbst überlassen und hoffen, das Problem würde schon irgendwie verschwinden – das wird es nicht!
Man muss immer wieder darüber reden, und notfalls auch die schlimmen Fälle aus dem Freundeskreis heranziehen, es ist schrecklich, das Unglück anderer, die in der Sucht schon viel, viel tiefer drinstecken zu „benutzen“, um das Problem sichtbar zu machen, sichtbar für Jugendliche, die nicht sehen wollen, sondern spielen!
Besonders das Bekenntnis 130 war häufiger die Grundlage für unsere Gespräche, letztlich hat es gewirkt, und auch viele andere kleine Dinge:
Mein jüngerer Sohn war sehr erschrocken, als er in den Bekenntnissen von jemandem las, der für die gemeinsamen Mahlzeiten keine Zeit mehr hatte, sondern hastig sich beeilte, um wieder an den PC zu kommen, um weiterzumachen.
Er erkannte sich wieder, und fühlte sich nicht gut, weil wir zwei Tage zuvor beim Besuch und gemeinsamen Essen mit den Großeltern genau die gleiche Situation erlebt hatten. So kamen viele kleine Anlässe zusammen, auch die bange Frage seinerseits: „Bin ich auch computersüchtig?“
Bei uns funktionierte es, mit Gesprächen weiterzukommen, ich wünsche das allen anderen Eltern in dieser Situation auch!
Es geht aber nicht von allein, man muss sich Zeit nehmen dafür, und es ist auch sehr anstrengend, weil man wirklich gefordert wird, wenn die Kinder sagen, es ist doch nur ein Spiel, ich spiele doch nur so, ich kann auch jederzeit aufhören, usw.
Man muss sich wirklich anstrengen, um den Kindern immer ein Argument bieten zu können, und deutlich zu machen, was wirklich wichtig ist.
Heute sagte der jüngere zu mir, es würde ihm so schwer fallen, die neue WoW Erweiterung bei dem besagten älteren Freund zu sehen, (der ihnen auch zum Einstieg in das Spiel verhalf) und zu wissen, das er nicht spielen kann!
Ist es nicht schrecklich, daß die Kinder solche Erfahrungen machen müssen, was für eine Bürde schleppen sie schon mit 14 und 18 Jahren, wie Junkies auf Entzug.
Ich wollte, sie hätten das Spiel nie gespielt.
Wir haben uns nicht für die elterliche Freigabe entschieden, die es ja für WoW gibt, weil wir der Meinung waren, wir würden das Problem nur ausblenden, aber damit niemals lösen können, das kann man nur durch Gespräche, indem man ihnen einen Spiegel vorhält, argumentiert, bis man zu einer Lösung kommt.
Ich möchte allen Eltern Mut machen, es geht wirklich, man darf nicht aufgeben und man darf auch nicht streiten, wer schreit, hat Unrecht, das war bei uns schon immer die Devise, man muß überzeugen, auch wenn es dauert und dauert, die WoW-süchtigen Kinder denken darüber nach, und irgendwann ist es soweit, dann ist Schluß mit WoW!
Viel Glück allen Eltern und Kindern auf diesem langen Weg!
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