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Beiträge: 2 Mitglied seit: 08.04.2013 IP-Adresse: gespeichert
| Wo sind die Grenzen für ein normales Verhalten und wo wird es bedenklich?
Vielleicht könnt Ihr mir ja helfen, mich etwas besser einzuordnen und ich würde mich freuen, mich mit Leuten auszutauschen, die ein ähnliches Verhalten an sich beobachten.
Ich finde diese Selbsteinschätzung gar nicht so einfach, weil ich sicher nicht in die klassischen Rubriken der Onlinesüchte passe. Fest steht, ich bemerke eine schleichende Persönlichkeistveränderung, die ich auf übermäßige Online-Kommunikation zurück führe und das gefällt mir nicht.
Ganz kurz ein paar Stationen: - Abi, danach handwerkliche Ausbildung - mit Mitte 30 Fortbildung in der EDV, danach fest angestellt - mit Mitte 40 selbständig gemacht im Internet - sehr engagiert in diversen sozialen und umweltschutz-Themen - lange Zeit aktiv in einem Selbsthilfeforum als Angehörige eines trockenen Alkoholikers. - In der Festanstellung sehr viel Ärger, Burn Out -Ansätze, deshalb freiwillig eine Verhaltenstherepie gemacht - nun mehr oder weniger erfolgreich selbständig seit 5 Jahren - wegen meiner Ansätze zum Burn Out, Workaholik, Co-Abhängigkeit habe ich Entspannungstechniken gelernt, Yoga ect. Das hilft mir gut zu schlafen, hält mich fit, ist ein toller Ausgleich. - ich lebe seit langen Jahren in einer stabilen Partnerschaft, wir können uns über all diese Themen offen austauschen, wir arbeiten auch zusammen.
Berufsbedingt sitze ich also viele Stunden vor dem PC. Niemand kontrolliert mich.
Ebenso berufsbedingt bin ich in vielen Foren unterwegs. Das sind z.T. Fachforen für meine Arbeit als Programmierin, zum Teil Social Media-Netzwerke, zum Teil einfach Foren, bei denen es um soziale zeitkritische Themen geht, die mich seit vielen Jahren interessieren. Diese Foren sind anspruchsvoll und bieten viele Infos und Austausch.
Hier habe ich mir einen gewissen Status erarbeitet, weil ich viel Wissen beitragen kann, viele Leute kenne, die ich vernetzen kann u.s.w.
Und nun das, warum ich hier schreibe: Es wird einfach zu viel, ich kann mich nicht mehr abgrenzen, kann mich nicht mehr auf meine eigene Arbeit konzentrieren, bekommen aus all den vielen Interessensfeldern täglich 20-50 Emails, - Schrot und Spam nicht eingerechnet.
Ich habe sehr viele interessante Kontakte aus den Internet-Netzwerken gewonnen, die ich z.T. auch im realen Leben pflege. Es ist also nicht so, daß mein Internet-Konsum auf Kosten des realen Lebens geht, eher entstehen virtuell viele neue Impulse für das reale Leben.
Das Problem ist, daß es mich einfach auffrisst...es ist zu VIEEEL und ich finde die Bremse nicht.
Wo immer ich denke, hier mache ich mal Einschnitte, erlebe ich das als Verlust. Ich bemerke Persönlichkeistveränderungen, die mir nicht gefallen. Über das Selbsthilfe-Thema habe ich gelernt, mich zu öffnen, früher war ich eher ein introvertierter Typ. Das fand ich sehr berreichernd.
In den Netzwerken werden Themen, die mich interessieren sehr polarisierend diskutiert und ich bin immer mit vorne dran als Retterin des Guten auf der Welt und unermüdliche Kämpferin gegen alle Ungerechtigkeiten.
Durch die vielen Quellen, die ich kenne und eine gewisse pointierte Schreibe, die ich mir zugelegt habe, kann ich inzwischen wirklich alle unseriösen Teilnehmer unter den Tisch argumentieren. Dafür bekomme ich natürlich Anerkennung von den "Guten" und das treibt weiter an. Aber inzwischen finde ich mich selbst eine unerträgliche Penetrantin und besserwisserischen Kotzbrocken und viel zu extrovertiert, bin irgendwie über das Ziel hinaus gesschossen. Das bin nicht mehr ich, so wie ich mich mit mir wohlfühle.
Außerdem fällt mir auf, daß es natürlich viel einfacher ist, in solchen Foren zu sagen, was Richtig und was Falsch ist und anderer Leute Probleme zu lösen, statt die eigenen. Das eigene Geschäft leidet darunter, ich habe aber dennoch immer die schöne Ausrede zur Hand, daß ich in diesen Foren auch schon Aufträge an Land gezogen habe. Dafür, daß ich in meinem Themenbereich wirklich gut bin, ist der meßbare Erfolg lächerlich gering.
Das Ganze wächst mir gerade über den Kopf und es ist mal an der Zeit, daß ich mich oute und zugebe, daß ich nicht im geringsten so taff bin und die Dinge im Griff habe, wie man denken könnte, wenn man mich in den Foren flüchtig liest.
Mein Partner hatte mal ein ähnliches Problem vor vielen Jahren, als er auch noch in dem o.g. Selbsthilfeforum aktiv war, er hat sich aber sehr konstruktiv mit seiner eigenen Suchtproblematik auseinander gesetzt und hat das inzwischen deutlich besser im Griff als ich.
Und ich schäme mich, daß ich nun so drinnen hänge und tue mir schwer, mit ihm darüber zu reden. Was nicht heißt, daß ich es nicht tue, aber es wäre mal wieder ganz gut, sich mit Außenstehenden darüber zu unterhalten.
Bin mal gespannt, was Euch dazu einfällt...
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Beiträge: 2 Mitglied seit: 08.04.2013 IP-Adresse: gespeichert
| "du hilfst nur gern anderen leuten." Was bekanntlich auch zur Sucht werden kann, wenn man darüber die eigenen wichtigen Themen vergisst ;-)
Dieses Thema ist ja auch besprochen worden in der Therapie und ich möchte das sicher nicht komplett abschaffen. Im realen Leben ist das ja eine schöne Sache und da kommt auch wieder genug zurück, so daß die Rechnung für mich stimmt.
Das eigentliche Problem entsteht erst durch die Kombination mit dem Internet. Diese Foren sind ja ein Fass ohne Boden. Die Hilsbedrüftigen und die Trolle, denen mal jemand den Kopf waschen muß, wachsen ja nach.
Und das habe ich einfach nicht mehr im Griff. Jeglicher Versuch, das einzuschränken macht mich so kribbelig, wie wenn ich früher versucht habe, erst Abends meine erste Kippe zu rauchen. Das ist einfach ein furchbares Gefühl.
Und der nächste Punkt der mich stört: Ich versuche ja nicht nur zu helfen, sondern es geht auch ganz oft ums Rechthaben. Helfen wollen hat ja auch was mit Macht ausüben zu tun.
Ich durchschaue die Mechanismen genau, im realen Leben kann ich das gut im Gleichgewicht halten.
Im Inet mutiere ich dabei zu einem Wesen, daß ich selbst nicht leiden kann...und es frisst mich einfach auf. Ich habe ja immer mehr Probleme, mich auf die eigenen wichtigen Themen zu konzentrieren.
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Beiträge: 68 Mitglied seit: 17.03.2013 IP-Adresse: gespeichert
| Guten Abend,
ob du süchtig bist oder nicht, kannst du nur selbst beurteilen, meiner Meinung nach. Aber wenn dir dein virtuelles Leben zu viel und zu anstrengend wird, solltest du versuchen kürzer zu treten. Was das Bedürfnis angeht Recht zu haben, so sind Foren und Emails natürlich sehr verführerisch, da du in aller Ruhe mit bedacht antworten kannst. Als Frage an dich selbst: Hilfst wirklich den Leuten, wenn du dich damit kaputt machst? Niemand kann allen helfen. Es zu versuchen bringt auch nichts.
Vielleicht brauchst du einen strikten Feierabend, ab 19 nur noch offline leben und entspannen. Wenn da noch keine Suchtmechanismen aktiv sind, sollte das Kribbeln schnell nachlassen. Klappt das nicht, dann kann (muss aber nicht zwingend) eine Sucht vorliegen. Ein derartig geregelter "Konsum" ist für Süchtige oft schwierig durchzuhalten.
Ansonsten denke ich, dass zwar wohl zu viel im Netz bist, aber das Problem erkannt hast, bevor es zu einer Sucht wurde.
Don Quijote
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