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Forum Übersicht » Onlinesucht allgemein » Onlinesucht allgemein » Selbstverschuldet ohne Zukunft - GG
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Selbstverschuldet ohne Zukunft - GG
Obsidianfehlende Rechte fehlende Rechte erste Beitrag kann nicht gelöscht werden -> lösche das ganze Thema 
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Hallo,

ich möchte gerne diese Plattform nutzen, um etwas niederzuschreiben, das ich unlängst mit meiner Familie bzw. engsten Freunden hätte teilen müssen.

Seit nun mehr als 10 Jahren verbringe ich meinen Alltag vor dem PC, ohne Rücksicht auf erdrückende Konsequenzen – die Gleichgültigkeit obsiegt.

Mein persönlicher Abstieg begann zu einer Zeit, in der es noch keine Flatrates gab. Zig Stunden verbrachte ich vor dem Computer, um mich mit anderen Usern über Banalitäten auszutauschen. Ganz ehrlich, ich habe es genossen und nicht selten dabei die Zeit aus den Augen verloren. Der Schritt zu meinem ersten Onlinespiel war da nicht weit und so entdeckte ich Ultima Online. Um jedoch jetzt nicht Gefahr zu laufen ins Schwärmen zu geraten, kürze ich es ab und erwähne, dass meine Eltern damals nicht selten eine Telefonrechnung von über 600,- zu begleichen hatten. Ihre Reaktion sah jedoch ganz anders aus als man jetzt vermuten könnte. Ich wurde kurz abgemahnt und musste Besserung geloben. Done.

Solange meine schulischen Leistungen den Vorstellungen entsprachen, hatte ich freie Hand. Doch je mehr ich in die bunte Welt eintauchte, umso nachlässiger wurde ich. Doch warum hätte ich mir je Gedanken machen sollen, wenn ich auch zuvor noch nie wirklich lernen musste? Ich habe mir eingeredet, dass ich jede schlechte Note ausgleichen könnte – wie immer. Das böse Erwachen kam 2 Jahre später. Statt einem gewohnten 1er-Durchschnitt wurde ich mit 3,2 aus der schulischen Obhut entlassen, herzlichen Glückwunsch.

Völlig unbekümmert widmete ich mich schon kurze Zeit später wieder den Pixeln auf meinem Monitor, statt mich um meinen weiteren Werdegang zu kümmern. Diese Aufgabe übernahm kurzerhand mein geschätzter alter Herr, der mich für eine Sprachreise nach Vancouver schickte. Wer hätte es gedacht, auch in Canada konnte ich meinem neuen Hobby nachgehen. Sogar völlig zügellos.

Ich tauchte in die Spielewelt ein und konnte nahezu alles um mich herum ausblenden. Ich fühlte mich sorglos, unbekümmert und dank des immensen Zeitkontingents zu großen Taten befähigt. Es war eine herrliche Zeit – Canada ist auch ganz schön gewesen. Zurück in der Heimat merkte ich jedoch schnell, dass ich mich gewissen Erwartungen von Außenstehenden nicht entziehen konnte. Die besten Freunde forderten meine soziale Teilhabe, die Eltern die Anmeldung fürs Studium und die Freundin musste erst noch an der Haustür klingeln.

Es war nicht leicht, dank meiner persönlichen Prioritätensetzung, alles unter einen Hut zu bekommen. Doch es klappte, auch wenn ich öfters meine besten Freunde vertrösten musste. Natürlich wusste ich, dass ich meine Zukunft nicht ganz vernachlässigen durfte, weshalb ich mich in Bayreuth für das Jurastudium anmeldete. Und wieder war ich in den eigenen vier Wänden, konnte ich mich meiner Begeisterung hingeben und brauchte ich nur ein paar Leistungsnachweise fürs Studium vorzeigen. Zu dieser Zeit habe ich Diablo2 gesuchtet. Es kam vor, dass mich mein damaliger Mitbewohner unter Androhung von Prügel ins Bett bringen musste. Nicht, weil es eine seiner insgeheimen Phantasien war, sondern weil ich seit 72h durchgespielt hatte. Schlaf und regelmäßiges Essen wurde schon damals von Außenstehenden überbewertet.

Aufgrund der Sorge meines Mitbewohners und anderer unnötiger Situationen, musste ich mich entsprechend darauf einstellen. Schließlich galt es nervigen Fragen und Vorwürfen entgegen zu wirken. Ich habe also beispielsweise nicht die Nacht durchgespielt, sondern sei wegen eines Infekts blass und schwach. Oder, ich könne nicht zur Semesterparty, weil ich übers Wochenende nach Berlin fahre. Meine Ausflüchte, Entschuldigungen und kleinen Notlügen wurden immer besser, nachvollziehbarer und glaubwürdiger. Ich wollte einfach nur meine Ruhe, um mich ungestört um die Aufgaben in der Onlinewelt kümmern zu können. Ob ich wusste, dass das völlig daneben ist? Oh ja, aber um dieses Problem würde ich mich morgen kümmern.

So verstrichen die Tage, Wochen und schließlich Semester – was ein Trauerspiel. Nach 5 Semestern und bestandener Zwischenprüfung hatte ich meinen ersten persönlichen Tiefpunkt erreicht, dem nur noch durch Selbsttäuschung und -betrug die Krone aufgesetzt werden konnte. Ich beschloss, dass das Studium nichts für mich sei und ich etwas anderes machen wolle. Die Euphorie darüber fand seitens meiner Eltern keine Grenzen. So zog ich also zurück nach Berlin und schrieb mich für's Lehramt ein. Zugegeben, ich liebte die Vorstellung, der Jugend neben zwangsläufig nur oberflächlichem Fachwissen auch Anstand und Sitte beibringen zu können. Ich vertiefte mich ins Studium, fand gefallen und verlor nur scheinbar das Interesse am Onlinegeschehen. Denn noch immer loggte ich mich regelmäßig in mein Spiel ein, tauschte ich mich mit meiner Community aus und ersehnte ich insgeheim den Release von WoW.

Mit dem Release wurde wieder alles andere nahezu zweitrangig. Bedürfnisse, Familie, Freunde und zuvor leichtfertig geäußerte Vorsätze. Ich war erneut gefangen, wider besseren Wissens. Denn natürlich kannte ich die Konsequenzen. Aber um dieses Problem würde ich mich morgen kümmern.

Aufgaben, die während des Studiums an mich gestellt wurden, habe ich ausnahmslos immer zum letzten Drücker erfüllt. Das Ergebnis war mir egal. Für die Lateinprüfung lernen? Habe ich, 2 Tage vorher – es war ausreichend. Für die Zwischenprüfung lernen? Habe ich, im Schweiße meines Angesichts am Tag zuvor. Zugegeben, es war die Hölle. Aber ich wollte aus dieser Qual nicht lernen - immerhin ging alles gut. Was zählte, war die Zeit vor dem Computer. Früh aufstehen und in den Morgenstunden ins Bett fallen. Das war meine tägliche Routine.

Während ich diese Routine gegenüber meiner geschätzten Eltern verbergen konnte, vor denen ich den Musterstudenten mimte, konnte ich meinen besten Freunden hingegen nichts vormachen. Ich rechne es ihnen hoch an, dass sie ihre Sorge zum Ausdruck brachten. Sie haben sich sogar zu einer Intervention hinreißen lassen, was mir verdammt unangenehm war. Denn nicht nur, dass sie meine Fassade teilweise durchschaut haben, sie haben mich in Erklärungsnot gebracht. Auch wenn ich nicht Stolz darauf bin, ich habe mein Konstrukt/ meine Fassade/ meine Selbsttäuschung erneut aufbauen können. Dazu war einzig nötig, dass ich ihnen einen groben Einblick in meinen verkorksten Alltag gewährte, Zugeständnisse machte und mich auf die absurde Forderung einließ, mich in puncto Studium von ihnen kontrollieren zu lassen. Um es kurz zu machen, es dauerte nicht lange bis ich ihnen wieder etwas vormachen konnte.

Ich hatte also erneut meine Ruhe und somit Zeit für mein aufregendes Treiben in der Onlinewelt. Tage, Wochen und Semester verstrichen. Es ist so traurig, wenn ich auf all diese vergeudete Zeit zurückblicke. Aber was wirklich traurig ist, ist mein zweiter Tiefpunkt, von denen es insgesamt drei geben wird. Das erste Staatsexamen stand vor der Tür und es wäre Zeit gewesen, um zur Besinnung zu kommen. Denn wie bereits geschrieben, ich bin mir all der Folgen und Konsequenzen bewusst, wenn ich weiterhin so nachlässig bliebe. Andererseits, bisher ging alles gut. Die erste Hürde des Examens bestand aus einer wissenschaftlichen Arbeit. Ich habe mir lieblos ein Thema herausgesucht, es eingereicht und den Abgabetermin im Hinterkopf verankert. Oha, ~3Monate bis zur Abgabe. Das ist massig Zeit für nur 80 Seiten. So befreite ich also weiter eine fantastische Welt vom Bösen, sammelte ich einzigartige Gegenstände und sonnte ich mich im Glanz meines Ruhmes.

Noch ein Monat bis zum Abgabetermin:

4 Wochen sind eine Menge Tage. Nach Adam Riese und Eva Zwerg wären das nur grob 2 ½ Seiten, die ich täglich schreiben müsste, um den Anforderungen gerecht zu werden. Ich habe schon öfters die Nächte durchgemacht. Wenn ich also auch in den Nächten an der Arbeit schreiben würde, bräuchte ich weniger als 30 Tage. Klingt logisch.

Noch 14 Tage bis zum Abgabetermin:

Was zur Hölle hat mich geritten, um erst jetzt mit dem Schreiben anzufangen? Es war die Hölle, wobei das noch untertrieben ist. Ich konnte mich schlecht konzentrieren, denn stets hatte ich die Zeit im Nacken. Ich hatte Schweißausbrüche, wenn ich nur an den Abgabetermin dachte. Ich verfluchte mich und musste mich wirklich zusammenreißen, um gegenüber meinem Umfeld nicht ungehalten und unfair zu werden.

Noch nie zuvor hatte ich so hart für's Studium gearbeitet. Zu Schade, dass das Schreiben mich nicht so erfüllen konnte wie das Zocken selbst. Aber letztlich ging es gut, d.h. konnte ich meine Examensarbeit am letzten Tag einreichen.

Jetzt galt es sich erst einmal von all dem Stress zu erholen und das vermeintlich verpasste ingame nachzuholen. Ich konnte wieder aufatmen, mich fallen lassen. Zumindest für einige Zeit. Denn meinen zweiten Tiefpunkt hatte ich noch nicht hinter mir. Im Zuge des Examens hatte ich noch zig mündliche und schriftliche Prüfungen vor mir. Und da ich auch dafür meine Themen bereits eingereicht hatte, kam es nicht überraschend, dass ich eines Tages die entsprechenden Prüfungstermine zugeschickt bekam.

Es würde sich von selbst verstehen, wenn man schon vor etlichen Wochen mit dem Lernen angefangen hätte. So jedoch nicht ich. Immerhin hatte ich noch Zeit und das Arbeiten in der Nacht sei auch möglich. Ich war wirklich unverbesserlich. Wie tief ich jedoch genau sinken konnte, sollte sich mir eine Woche vor der ersten Prüfung zeigen. Denn eine Woche vor dem großen Tag musste ich mir eingestehen, dass ich mich übernommen hatte. Mehrere 4-stündige Klausuren zu jeweils unterschiedlichen Themen, wobei jedes davon aus 3 eingereichten ausgesucht wurde und ich mich somit auf mindestens 2 davon vorbereiten musste, sprengte einfach meine Aufnahmefähigkeit. Zumal ich die mündlichen Themen auch noch zu berücksichtigen hatte.

[...]


05.08.2013 18:11:22   
Obsidianfehlende Rechte fehlende Rechte fehlende Rechte 
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[...]

Ich bin niemand der laut wird, sich künstlich aufregt oder cholerisch wird. Ich begegne nahezu allem mit einer gewissen Erhabenheit und kann nicht wirklich nachvollziehen, wenn sich andere über Kleinigkeiten echauffieren. Als ich es an diesem Tag jedoch zuließ, dass ich den Gedanken über die Folgen und Konsequenzen länger als nur einen Bruchteil nachging, ich mir also über die aktuelle Lage bewusst wurde, stand ich plötzlich neben mir. Ich weinte nicht, auch wenn mir danach war – ich konnte nicht, auch wenn ich allen Grund dazu gehabt hätte. Stattdessen hasste ich mich für meine insgeheim unlängst eingestandene Sucht, meine Charakterschwäche, mein Lügenkonstrukt, das ausnahmslos jede mir etwas bedeutende Person zutiefst schockieren würde, wenn es in sich zusammenfiele. Das war das erste Mal, dass ich völlig teilnahms- und emotionslos das Haus verließ, mir wahrlich alles egal war und ich mich in der erstbesten Kneipe betrank. Mir war egal, dass in dieser Kneipe nur Männer saßen. Mir war auch egal, dass sie, je später der Abend wurde, Zärtlichkeiten austauschten. Letztlich gab ich dem Wirt einen aus, nachdem er trocken feststellte, dass ich der erste Hetero seit langem in seiner Kneipe sei. Diese Situation hätte zumindest für ein Schmunzeln gereicht, doch ich wollte weder mit jemanden sprechen, noch über lustige Situationen nachdenken. Ich versuchte mich einzig zu betäuben, um so meine Gedanken zu verdrängen. Es war daher auch nicht hilfreich, dass mich der Wirt weiter mit Fragen löcherte. Wieder zuhause ging es mir dann endlich auch körperlich schlecht. Doch ich empfand es als nicht ausreichend. Ich hätte gerne geschrien, getobt oder etwas zerstört, doch es ging nicht – ging es noch nie. Ich bin kurzerhand ins Bad, habe meinen Zahnputzbecher mit Wasser gefüllt und wahllos in den Medikamentenschrank gegriffen. Ich wusste was ich tat und es war mir recht/egal.

Um es kurz zu machen: Ich konnte danach nicht einschlafen und habe ich mir später alles durch den Kopf gehen lassen müssen. Ich muss zugeben, auch das hat mich frustriert und das erste mal wirklich ausrasten lassen. Ich habe mich endlich gehen lassen können und mir im Zuge dessen die rechte Hand verstaucht bzw. den Mittelfinger angebrochen.

Am nächsten Tag war der ganze Spuk vorbei. Ich hatte zwar noch all das Geschehene direkt vor mir, doch stand ich ihm gleichgültig gegenüber. Was folgte, war, dass ich vom Arzt eine Krankschreibung erhielt und ich mich fortan darin übte die Computermaus mit links zu steuern. Das Landesprüfungsamt verschob meine Examensprüfung nur indirekt, doch das gab mir wieder ein wenig Luft. So gelobte ich mir Besserung und versank wieder in den Welten, in denen ich mich gehen lassen konnte.

Der letzte Anmeldetag fürs Examen war der 29.7. - das wäre meine letzte Chance gewesen, um noch heil aus der Sache zu kommen. Mein Umfeld erwartet die Prüfungstermine, erwartet Ergebnisse. Nun, das wird nichts werden. Ich habe es seit Jahren angelogen, vor allem jene, die mir sehr viel bedeuteten. Genau sie zu enttäuschen ist ein Gefühl, das sich nicht beschreiben lässt und womit ich nicht umgehen kann. Das erstaunliche ist, ich weiß es besser, ich weiß was schief läuft, doch der Antrieb zur Besserung fehlt.


Hm, das Ganze etwas vereinfacht niederzuschreiben war ganz ok. Zwar nicht wirklich befreiend wie erhofft, aber immerhin.

MfG verbleibend




05.08.2013 18:11:38   
gabriele_farkefehlende Rechte fehlende Rechte fehlende Rechte 
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Obsidian,

es wird der Tag kommen, an dem Du Dich fragst, was mit Dir wirklich los war. Such Dir Hilfe, mehr kann ich Dir nicht raten. Wenn Du aus dieser Sucht nicht herauskommst, ist Dein Abstieg vorprogrammiert. Noch ist es nicht zu spät, denn Du weißt ja selbst längst, dass Du abhängig bist!

Mach etwas aus Deinem Leben, Du hast nur eins!!!!

Alles Gute!

G.


Gabriele Farke (HSO e.V.)

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08.08.2013 15:26:42    
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