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Beiträge: 3415 Mitglied seit: 26.03.2006 IP-Adresse: gespeichert
| Kelly Hallo zusammen, ich beschäftige mich schon eine ganz Zeit lang mit dem Thema onlinesucht und besonders mit der Onlinesexsucht. Jetzt habe ich mich im Zuge meiner Ausbildung freiwillig für einen Vortrag über dieses Thema gemeldet und bin beim recherchieren auch auf diese Seite gestossen. Fast lustig, dass ich darauf jetzt stosse, obwohl ich es eigentlich jetzt nicht mehr brauche. Aber es ist ja selten zu früh und nie zu spät! Warum also interessiere ich mich für dieses Thema so sehr? Natürlich, weil es mich vor gar nicht allzu langer Zeit selbst betroffen hat. Ich war Chat - und Sexsüchtig. Natürlich in Kombination. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das hier der richtige Platz ist, um meine ganze Lebensgeschichte aufzuschreiben, aber vielleicht versuche ich mich mal kurz zu fassen und schreibe einfach ein paar Eckdaten auf. Vor fast 10 Jahren stieß ich bei der Eingabe "Chat" in einer Suchmaschine auf die Chat Seite von Praline. Damals hatte ich den Rechner und das Internet neu und wollte einfach mal neugierig sein. Mein damaliger Freund saß hinter mir, während ich mit ein paar Leuten lustige Dinge austauschte. Kein Suchtpotential, kein Kick. Das ganze wurde mir schnell langweilig und ich ließ es schließlich sein. Vor einem guten Jahr hatte ich meine Diplomarbeit zu schreiben und war daher viel zu hause. Mir war langweilig, also traute ich mich einfach wieder einmal in diesen Chat. Mal sehen, was sich inzwischen verändert hatte. Mein alter Chatname war vergeben, aber ich hatte schnell einen neuen gefunden und schrieb freudig "tach zusammen". Das war der Anfang und ich lernte sehr schnell sehr viele nette Leute kennen. Irgendwann war ich ein Stammchatter. Das hat mich tatsächlich ein bißchen stolz gemacht. Ich kannte alle, mich kannten alle und ich war mit den Ops und den anderen Stammchattern auf gutem Fuss. Hatte sogar mit dem einen oder anderen schon telefoniert. Toll, wenn man so dazu gehört. Insider...Begriffe wie "re, wb, smile, rofl, ggg" und so weiter gehörten zum Repertoir. Wer sie richtig einsetzte, zeigt, dass es wußte worum es ging. Und dann gab es noch andere Begriffe "cs, t6"... Was die bedeuteten bekam ich ziemlich schnell raus. Am anfang war es gar kein Problem, mal ein bißchen Spaß gehabt, was soll´s. Es war aber auch irgendwie eine Stimmung, wie ich es mir in meiner schönsten Pubertätszeit vorgestellt hatte. Wie in einer Hippiekommune. Man kam rein, "hey schön dich zu sehen, auf die Knie..." und los ging es. Ich würde einfach mal behaupten, ich habe in diesem Jahr so ziemlich alles ausprobiert, was online zu machen ist. Ich gebe auch zu, dass ich wirklich davon überzeugt war, dass es auch mein privates Sexleben verbessern würde. Gut, ich saß viel vorm Rechner, aber wenn mein Freund nach hause kam, wollte ich immer Sex. Also worüber beschwerte er sich. Ich nenne es auch heute noch meine "Zeit des Erwachens". Allerdings brachte dieses Erwachen auch die negativen Seiten mit sich. Mein Freund und ich waren fast 8 Jahre zusammen, als da alles anfing. Wir dachten über heiraten nach. Am schlimmsten Punkt, hat er mich nur noch angeschrien und ich lag apathisch im Bett und dachte "wenn er jetzt geht, kann ich wenigstens noch für ein paar Stunden im Chat vorbei". Er fragte mich, ob ich denn so weiter leben wollte und ich dachte in meinem tiefsten innern "ja, ist doch klasse so". Aber wirklich klasse war es nicht. Irgendwie hat er es geschafft bei mir zu bleiben. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, an mir fest zu halten und mich trotzdem weiter zu lieben. Wir haben geredet. Immer wieder. Fast wie in einer Therapie. Ich habe das Kabel fürs Internet durchgeschnitten....und dafür per mail weiter gemacht. Ich habe mir eine neue Mailadresse zugelegt und auf dem Weg weiter den Kontakt gehabt. Er hat sich ein Programm auf seinem Rechner installiert, das ihn immer informiert hat, wenn ich eine Mail bekam und er mich so kontrollieren konnte...ich habe telefoniert. Irgendwie ging es immer. Meine Freunde haben mir gesagt, es sei ja unmöglich, wie mich mein Partner überwachen würde, aber ganz ehrlich: Wenn er das nicht getan hätte, ich weiß nicht wo ich heute wäre. Irgendwann, nach dem letzten großen Streit haben wir entschieden, wir müssen weiter gehen. Entweder es ist hier zu ende oder wir tun den nächsten Schritt. Er hat mir den Heiratsantrag gemacht. Danach wurde es besser. Ich hatte es unter Kontrolle - jedenfalls so gut wie. Ein halbes Jahr später haben wir geheiratet. Selbst am Tag der Hochzeit war ich noch im Chat, um mich zu verabschieden. Mir war klar, dass ich bald wieder da sein würde, aber ich wollte trotzdem, dass es alle wußten. Ich bekam ein "hey, glückwunsch" und dann wurde wieder über andere Dinge gesprochen. Das war es also. So sehr interessierten sich "meine Freunde" für mich. Ich smste auch noch mit einem anderen Freund aus dem Chat und der hat mich bestärkt und mir alles gute gewünscht und mir gesagt, dass ich genau das richtige tue und wie sehr er sich für mich freut. Und dann kam die Hochzeit. Ich fasse mich kurz. Seit dem bin ich los vom Chat. Ich war vor zwei Wochen einmal für eine viertel Stunde drin. Alle haben sich gefreut mich zu sehen, aber das war es dann auch. Ich bin wieder raus und es hat kein bißchen weh getan. Mit zwei Freunden habe ich immer noch Kontakt. Der ist mir auch sehr wichtig, aber ich stelle fest, dass es auch schön ist, mit meinem Mann sms zu schreiben und zu chatten. Ich kann nur jedem so einen Partner wünschen. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich vermutlich irgendwann real in den Armen eines wildfremden Mannes gelandet und es wäre sicher nicht bei einem geblieben. Ich kann ihm gar nicht sagen, wie dankbar ich ihm bin, aber ich wünsche jedem, der in meiner Situation ist, einen solchen Partner an seiner Seite. Vielleicht ist das auch ein Aufruf an diejenigen Partner, die gerade verzweifeln, weil sie ihren Mann, Frau, Freund oder Freundin nicht davon los bekommen. Eure Partner brauchen wirklich Hilfe aber laßt sie bitte nicht fallen. So. Das ist meine Geschichte. Ich hätte Euch warnen sollen, kurz fassen ist nicht mein Ding. Aber um ganz ehrlich zu sein: Das war die Kurzfassung. Die ganzen pikanten Details meines Chatlebens habe ich Euch vorenthalten. Ich freue mich von Euch zu hören Eure Kelly
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