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Paul - Ausstiegstagebuch (OSS), Beginn 26.02.2012 |
Paul Mila | ||
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Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Montag, 7. Mai 2012: Ich habe gerade etwas wichtiges gemacht, finde ich. Irgendwie hatte ich großen Appetit auf ein "Snickers". Doch ich hatte mein Abendbrot ja schon gegessen, und ich spürte, daß hinter diesem Appetit nur eine gewisse Gier steckt, kein Hunger. Ich habe also auf das "Snickers" verzichtet. Ich glaube, daß ist ein kleiner und wichtiger Erfolg, weil mir mehr und mehr bewußt wird, wie sehr schlechte Gewohnheiten einander bedingen. Ich glaube, langfristig geht es nicht nur darum, von derjenigen Gier loszulassen, die ich als Teil meiner Sucht erlebe. Nein, ich muß von Gier insgesamt loslassen. Denn wenn ich gierig Süßigkeiten fresse, dann sind die Süßigkeiten irgendwann alle. Doch die Gier bleibt, und diese Gier wird sich dann ein neues Objekt suchen. Die Süßigkeiten sind irgendwann alle. Doch die Gier bleibt, und diese Gier wird sich ein neues Objekt suchen. Ich denke, es ist wichtig, daß ich die Gier loslasse, und auch die Angst, die hinter der Gier steckt. Nämlich, daß es nicht genug gibt, oder daß ich nicht sicher sein kann, wann ich wieder etwas bekomme. Ich muß lernen, darauf zu vertrauen, daß diese Welt und dieses Leben gut zu mir ist, und daß ich immer genug haben werde. Vertrauen, daß die Welt und das Leben gut zu mir ist, und daß ich immer genug haben werde. "Sorget Euch nicht…" Ja, dieser Umgang mit der Gier, und mit der Angst dahinter, ist ganz wichtig, glaube ich. Paul
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09.05.2012 20:50:54 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Dienstag, 8. Mai 2012: Ich habe mir heute im Internet-Cafe die neuen Einträge angeschaut und viele gute Anregungen dabei gefunden. Zwei Sachen, die Andi geschrieben hat, sind mir besonders hängen geblieben: 1. Pornos, Sexuelle Fantasien, Masturbation – sie alle haben einen starken Einfluß auf das Belohnung-System im Gehirn. Sie geben mir also heftige Dopamin-Kicks. Süßigkeiten machen das auch. Das heißt, wenn ich Süßigkeiten futtere, dann bediene ich damit im wesentlichen den selben Kreislauf, auf den auch Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation wirken. Und natürlich gibt es noch eine Reihe anderer Sachen, die so wirken. Video-Spiele zum Beispiel. Aber auch ganz einfach zu viel Essen, also mit Gier essen, erzeugt eine Dopamin-Ausschüttung. Heute ist mir dabei noch mal etwas deutlich geworden, nämlich daß diese Sachen nicht nur eine bestimmte Wirkung auf das Gehirn haben, daß sie uns also mit einem gewissen Kick belohnen. Nein, diese Kicks sind eben auch noch sehr einfach zu erzeugen. Ohne große Mühe oder Anstrengung. Man nennt das im Englischen: instant gratification. Instant gratification bedeutet einfach, daß ich sofort und ohne große Mühe oder Anstrengung eine Belohnung bekomme. Gute Beispiele sind: Süßigkeiten, Zigaretten, Alkohol und alle Arten von Drogen. Besonders gute Beispiele: Pornos, Sexuelle Fantasien, Masturbation. Jeder, der über längere Zeit abhängig von Pornos, sexuellen Fantasien und Masturbation war, weiß genau, daß man dabei mit sehr wenig Mühe und Anstrengung eine sehr große und heftige Belohnung bekommt. Es ist also nicht nur so, daß man sich daran gewöhnt, mit Hilfe mit Pornos, Sexuellen Fantasien und Masturbation im Vergleich zu "normalen" Aktivitäten, wie meinetwegen Musik hören oder Joggen, eine deutlich größere und heftigere Belohnung zu bekommen. Nein, man gewöhnt sich auch daran, weniger dafür zu tun. Man schafft also im wesentlichen die Gewohnheit, für eine immer größere Belohnung immer weniger zu tun. Man schafft die Gewohnheit, für eine immer größere Belohnung immer weniger zu tun. Damit erzeugt man einen doppelten Teufelskreis. Einerseits gewöhnt man sich an eine immer größere Belohnung. Man verliert also immer mehr die Fähigkeit, mit kleineren Belohnungen zufrieden zu sein. Und andererseits gewöhnt man sich zusätzlich noch daran, daß man immer weniger tun muß. Man verliert also auch immer mehr die Fähigkeit, große Mühen und Anstrengungen auf sich zu nehmen. Einerseits verliert man also die Motivation, sich auch für kleinere Sachen anzustrengen, weil man sich an eine sehr hohe Dosis von Dopamin gewöhnt hat, und andererseits verliert man Motivation, sich für solche Sachen anzustrengen, weil man sich über eine lange Zeit mit Faulheit und Trägheit geschwächt hat. Weil man sich durch jahrelange Trägheit und Faulheit geschwächt hat, wirkt jede Anstrengung, die über diesen angewöhnten, schwachen Level hinausgehen soll, wie eine Zumutung. Alleine schon, daß man sich überhaupt anstrengen soll, wirkt schon wie eine Zumutung. Wenn dann aber zusätzlich nur eine VERHÄLTNISMÄSSIG geringe Belohnung in Aussicht steht, dann wirkt die Anstrengung natürlich noch um so größer. Man verliert also doppelt an Motivation, und man erzeugt eine sehr degenerative Entwicklung. Ist doch klar: Wenn ich jahrelang bloß 'ne Stunde am Tag arbeiten muß und für diese Stunde 80,00€ netto bekomme, werde ich dann große Motivation verspüren, wenn ich auf einmal acht Stunden am Tag, für 10,00€ die Stunde, arbeiten muß? Je tiefer und länger man jedoch in die Sucht versinkt, desto größer wird die Unverhältnismäßigkeit zwischen Anstrengung und Belohnung. Wie gesagt, ich gewöhne mich an immer größere Belohnungen, für die ich immer weniger leisten muß. Das heißt, wenn ich lange und heftig genug in meine Sucht eingestiegen bin, verschiebt sich unser Beispiel. Im ersten Beispiel komme ich an einem normalen Arbeitstag ja insgesamt immer noch den Betrag, an den ich mich im Laufe der Zeit gewöhnt habe. Wenn ich jedoch heftiger in meine Sucht eingestiegen bin, dann verschiebt sich das Verhältnis vielleicht so stark, daß ich über lange Zeit nur eine Viertel-Stunde am Tag am PC arbeite, für die ich 500,00€ bekomme, und dann plötzlich 16 volle Stunden am Tag in einem Steinbruch für 1,00€ arbeiten soll. Und nicht nur das, sondern das bißchen, was ich verdiene wird auch noch gepfändet, um meine Schulden zu tilgen. Ich glaube, wer längere Zeit von Pornos, Sexuellen Fantasien und Masturbation abhängig gewesen und tief in diese Sucht eingestiegen ist, wird sich gefühlsmäßig tatsächlich eher in dem zweiten als mit dem ersten Beispiel wiedererkennen. Mir geht es jedenfalls so. Wenn ich darüber nachdenke, Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation dauerhaft aufzugeben, dann habe ich dabei tatsächlich das Gefühl, daß ich sehr hart daran arbeiten muß, und zwar wirklich ziemlich genau 16 Stunden am Tag. Nämlich den ganzen Tag und teilweise sogar noch in der Nacht, wenn ich mich mit versauten Träumen auseinandersetzen muß. Und die Belohnung, die mir dafür in Aussicht steht, scheint gleich null zu sein. Es wirkt nämlich so, als ob ich damit nichts damit hinzu gewinne, sondern nur weniger verliere. Eben so, als würde das bißchen, was ich verdiene, gepfändet, damit ich damit meine Schulden tilge. Und das was übrig bleibt, ist nur das nötigste. Je mehr ich darüber nachdenke, je mehr ich über dieses Bild "meditiere", desto mehr muß ich einsehen, daß es tatsächlich so ist: Bei dem, was jetzt vor mir liegt, geht es erst mal gar nicht darum, daß ich mehr arbeiten muß und trotzdem weniger dabei verdiene. Nein, ich muß sogar viel mehr arbeiten und werde dabei trotzdem nur meine Schulden abbezahlen. Dazu paßt ein altes, deutsches Sprichwort: Wer geringe Dinge wenig acht', sich um geringre Mühe macht. Wenn man sich das erst mal so klar gemacht hat, dann versteht man auf einmal auch, warum man es einem so schwer fällt, diese Gewohnheiten zu ändern, und warum es einem so sinnlos vorkommt. Ich soll hart dafür arbeiten, um für immer auf die heftigsten Kicks zu verzichten, die ich in meinem grauen Alltag erleben durfte, und bekomme nichts im Austausch dafür? Denn so fühlt es sich ja erst mal an. Ich meine, rational verstehe ich schon, daß es nicht so ist, und es ist auch wichtig, sich immer wieder mit der Vernunft daran zu erinnern, daß es nicht so ist. Doch das Gefühl ist schon so. Es ist gut, daß ich das jetzt besser verstanden habe. - - - Dabei fällt mir aber noch etwas anderes wichtiges ein: Was außer der Vernunft? Ich habe neulich mit einer Freundin darüber gesprochen, wie stark wir von Gefühlen und Empfindungen an unsere Gewohnheiten gebunden werden. Besonders an unsere Süchte. Ich erklärte ihr, daß man diese Gefühle und Empfindungen eben mit Vernunft und Willenskraft durchbrechen muß. Dazu meinte sie dann: "Ach, das ist wieder so ein typisch männliche Antwort. Alles über der Kopf machen", und darauf antwortete ich ihr dann: "Was außer die Vernunft? Was außer der Vernunft kann denn diese gefühlsmäßigen Gewohnheiten durchbrechen?" Was außer der Vernunft kann unsere Gewohnheiten durchbrechen? Vernunft und Willenskraft. – Gibt es noch etwas anderes, das unsere Gewohnheiten durchbrechen kann? Einsicht und Achtsamkeit vielleicht noch. Doch wenn man darauf wartet, daß man sich danach fühlt, daß man die Gewohnheit aufgeben kann, wird man, meiner Meinung nach, nicht erfolgreich sein. Denn was macht man, wenn die entsprechenden Gefühle wieder verschwunden sind? - - - Die zweite Sache, die mir aus Andi Beiträgen hängen geblieben war, ist: 2. Es reicht nicht, wenn wir unser Leben nur im Bezug auf die Sucht verändern. Dazu habe ich hier ja auch schon mal etwas geschrieben. Nämlich das schlechte Gewohnheiten sich gegenseitig verstärken. Das ist direkt mit der ersten Sache verbunden, zu der ich etwas geschrieben habe. All die Sachen, von denen ich oben geschrieben habe. Die ganzen passiven, negativen, destruktiven, unheilsamen Gewohnheiten müssen mit der Zeit verschwinden, damit wirklich ein ganzheitlicher Heilungs-Prozeß einsetzen kann. Denn all diese Sachen triggern den selben Sucht-Prozeß, auf den auch Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation wirken. Oder anders gesagt: Dadurch, daß ich auch diese Sachen aufgebe, kann ich mein Suchtverhalten nachhaltig auflösen. - - - Was ist also der richtige Lösungs-Ansatz? Der richtige Ansatz ist, nicht nur die PASSIVEN, negativen, destruktiven, unheilsamen Gewohnheiten der Sucht aufzugeben, sondern gleichzeitig auch AKTIV positive, konstruktive, heilsame Gewohnheiten zu schaffen. Wenn ich nur mit den passiven schlechten Gewohnheiten aufhöre, löse ich damit nur einen Aspekt des Teufelskreises. Ich gewöhne mir damit nur ab, eine verhältnismäßig große Belohnung zu bekommen. Doch ich lerne dabei immer noch nicht, mich wieder mehr für meine Belohnungen anzustrengen. Das muß ich aber auch wieder lernen. Ich muß einerseits lernen, mit geringeren Belohnungen zufrieden zu sein, und andererseits muß ich zusätzlich noch lernen, mich auch für geringere Belohnungen wieder mehr anzustrengen. Nur so kann ich die Abwärtspirale dauerhaft in eine Aufwärtsspirale verwandeln. Oder, um bei meinen Beispielen zu bleiben: Erst, wenn ich AKTIV positive, konstruktive, heilsame Gewohnheiten schaffe, statt nur die passiven unheilsamen Gewohnheiten einzuschränken. Erst dann fange ich wieder damit an Geld zu verdienen, statt nur meine Schulden zu tilgen. - - - Dazu noch etwas sehr wichtiges: Unser Lebensglück hängt stark davon ab, in wie weit wir Werte für andere Menschen schaffen. Denn nur wenn wir Werte für andere Menschen schaffen, als nur, wenn wir Sachen machen, denen andere Menschen einen Wert beimessen, werden uns andere Menschen im Austausch dafür Sachen geben, die für uns wertvoll sind. [...]
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09.05.2012 20:58:02 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Dienstag, 8. Mai 2012: [...] Damit meine ich nicht nur Arbeit und Geld verdienen. Da ist es ja völlig offensichtlich. Ich biete meine Arbeitskraft und meine Fähigkeiten an, und wenn das für jemand anderen wertvoll ist, wird er mir im Austausch dafür Geld geben. Doch dieser Austausch findet ja in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens statt. Ob uns das jetzt bewußt ist oder nicht. Ob uns das gefällt oder nicht: Andere werden auf einer bestimmten Ebene immer darauf achten, ob wir ihre Zeit und Energie wert sind, und wenn sie bemerken, daß sie zu wenig für ihre Zeit und Energie bekommen, dann werden sie ihre Beziehung zu uns früher oder später beenden. Und das gilt letztlich auf für Liebe und Zuneigung. Liebe und Zuneigung kann man natürlich nicht berechnen, und ich denke, man sollte das auch gar nicht versuchen. Es ist schon richtig, daß wir in diesem Bereich unseres Lebens nicht aufrechnen. Doch wir spüren ja alle sofort, wenn uns ein geliebter Menschen nicht mehr die Liebe und Zuneigung schenkt, die wie von ihm gewöhnt sind, und die wir uns von ihm erhoffen. Und genauso ergeht es den anderen, wenn wir uns ihnen gegenüber verschließen. Wenn sie uns Nahe stehen, spüren sie sofort, wenn wir uns verschließen, und sie leiden darunter. Überall im menschlichen Leben findet also ein gewisser Austausch statt. Jeweils in ganz unterschiedlichen Formen und "Währungen". Wie sieht's nun mit Suchverhalten aus? Was für Werte schaffen wir für andere, wenn wir den Gewohnheiten unserer Sucht nachgehen? – Eigentlich gar keine. Okay, wenn ich mir zum Beispiel Porno-DVDs kaufe, dann verdient die Porno-Industrie daran. Oder, wenn ich Sex-Hotlines anrufe, verdienen diese Hotlines daran. Bis dahin, daß vielleicht sogar Prostituierte an meiner Sexsucht verdienen. Doch schaffe ich echte Werte für andere Menschen? Schaffe ich mit meinem Suchtverhalten etwas positives, das für andere Menschen wertvoll ist? Bin ich damit für andere Menschen nützlich? Helfe ich ihnen damit? Oder schaffe ich etwas damit, was ihnen Freude bereitet? Ich glaube nicht. Wie gesagt: Ich denke, daß wir eigentlich gar keine Werte für andere schaffen, sondern daß Suchtverhalten ein äußerst egoistisches und im wesentlichen asoziales Verhalten ist. Ich denke, es ist wichtig, sich das klar zu machen, wenn man sein Suchtverhalten aufgeben will, und einem dabei bewußt wird, daß man für eine lange Zeit nur "Schulden tilgt". Weil man in der Zeit, in der man seiner Sucht nachgegangen ist, keine Werte für andere geschaffen hat, ist es ja logisch, daß man irgendwann anfängt, im übertragenen Sinne, Schulden zu machen. Denn wenn man keine Werte für andere schafft, dann wird man von anderen auch nichts zurückbekommen. Wenn wir uns zu sehr in der Sucht verlieren, dann verlassen wir damit den gesunden Austausch mit anderen Menschen, in dem es völlig normal ist, daß wir etwas zu dem Lebensglück anderer Menschen beitragen müssen, um etwas von ihnen zurückzubekommen. Die Sucht suggeriert uns nämlich, daß wir zu unserem Lebensglück nur unsere Suchtmittel brauchen, und nicht mehr die anderen Menschen. Gerade das ungeheure Angebot an elektronischen Medien birgt dieses Risiko. Ich denke, wenn man diese Zusammenhänge einsieht, dann wundert man sich weniger darüber, daß man nach jahrelanger Sucht völlig "abgebrannt" ist, weil nichts mehr übrig geblieben ist außer der Sucht. Weil nichts mehr übrig geblieben ist außer der Sucht. Denn so ist es mit der Sucht: Die Sucht nimmt uns alles und läßt uns mit nichts zurück. - - - Also: Um endgültig und dauerhaft meine Sucht, alle Süchte, und die Sucht an sich, zu überwinden, muß ich mehr tun, als nur die schlechten Gewohnheiten der Sucht aufzugeben. Ich muß zusätzlich AKTIV positive Gewohnheiten schaffen. Ich muß AKTIV etwas für mich, aber auch für andere tun. Nur so kann ein ganzheitlicher, dauerhafter Heilungsprozeß einsetzen. "Dann wird es Heilung." Kurz gesagt: Ich muß ein anderer Mensch werden. Ja, ich muß ein anderes Selbstbild von mir entwickeln. Ich werde jetzt eben zu einem Menschen, der keine Pornos mehr schaut, der keinen sexuellen Fantasien mehr nachgeht, und der nicht mehr masturbiert. Das ist jetzt eben nicht mehr Teil meiner Identität. Wenn sich also jemand mit mir über Pornos unterhalten möchte, dann sage ich ihm: "Du, ich schau' mir keine Pornos mehr an", und damit ist das Thema für mich erledigt. Das gleiche gilt dann auch für sexuelle Fantasien und Masturbation. Ich bin eben kein Mensch mehr, der so was macht. Ja, ich muß ein anderer Mensch werden. Dazu paßt ein Zitat von Mosche Feldenkrais: "Wer sich verändern will, muß ein anderer werden." In diesem Sinne, Paul
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09.05.2012 21:02:58 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Mittwoch, 9. Mai 2012: Ich hatte gestern etwas zu erwähnen versäumt. Nämlich, daß ich am Montag abend schon wieder masturbiert hatte. Es war wieder dieser kritische Moment kurze Zeit nach dem einschlafen, wo ich plötzlich sehr lüstern aufgewacht bin, und dann sofort angefangen habe, zu masturbieren. Ich verstehe immer noch nicht, warum ich solche Schwierigkeiten habe, mich genau in dieser Situation zusammenzureißen. Es muß tatsächlich mit dem Halbschlaf zu tun haben. Also damit, daß ich mein Bewußtsein bereits soweit verloren habe, daß ich nur noch sehr wenig Kontrolle habe. Wie kann ich damit umgehen? Wie kann ich dem Herr werden? Mir ist dazu gerade eine Idee aufgegangen: Offenbar ist ja ein wesentlicher Aspekt dieses Problems, daß die Ausgangssituation eben schon im Halbschlaf liegt, daß ich also keine bewußte Kontrolle mehr habe. Eine erfolgreiche Lösung muß das also berücksichtigen. Oder anders gesagt: Ich glaube, es reicht nicht, wenn ich mir einfach nur immer wieder vornehme, willensstark zu bleiben, denn meine Fähigkeit Willenskraft einzusetzen hängt ja davon ab, wie klar ich bei Bewußtsein bin. Ich denke, ich muß mir also eine Lösung dafür überlegen, in der in mein Unterbewußtsein trainiere. Ich meine damit eine Lösung, wie zum Beispiel auch in der Selbstverteidigung. In der Selbstverteidigung nehme ich mir ja auch nicht einfach vor, mit viel Willenskraft einen Angreifer abzuwehren. Sondern, im Idealfall, trainiere ich jahrelang bestimmte Bewegungsabfolgen, die dann im entscheidenden Moment ganz automatisch ablaufen. So, daß ich gar nicht mehr drüber nachdenken muß. Ich könnte zum Beispiel üben, daß ich mich jeden Nachtmittag für eine Viertelstunde in mein Bett lege, mich zudecke, ein paar Minuten die Augen schließe, sie dann wieder ganz bewußt öffne und dann anfange, Masturbation zu "simulieren", zu imitieren. Natürlich ohne mich dabei wirklich anzufassen. Das mache ich dann auch für 'ne Minute. Doch das unterbreche ich sofort, reiße die Decke beiseite, springe auf, und mache dann eine ganz bestimmte Sache. Ich könnte zum Beispiel direkt unter die Dusche gehen und mich "unten herum" kalt abduschen. Soll ja helfen. Oder ich könnte "einstudieren", daß ich mich sofort auf einen Stuhl setze und meditiere, bis die Wollust wieder verschwunden ist. Oder ich könnte mich dahin konditionieren, daß ich mich sofort anziehe und erst mal einen Spaziergang mache. Oder eine DVD schaue, oder was auch immer. Ich glaube, auf jeden Fall würde es helfen, wenn ich für diese Situation eine ganz feste Handlungsabfolge einstudiere. Eben genau so, wie in der Selbstverteidigung auch. Damit kann ich vielleicht das Problem überlisten, daß ich im Halbschlaf mein Bewußtsein, und damit eben auch meine Kontrolle verliere. Zusätzlich ist es sicherlich auch hilfreich, wenn ich mir täglich Zeit nehme, um aktiv zu imaginieren, wie ich erfolgreich diese schwierige Situation meistere. Ich könnte mich also auf meine Couch legen, und dann wirklich ganz AKTIV immer wieder im Kopf die Fantasie durchgehen, wie ich aus dem Halbschlaf aufwache, vielleicht sogar mit dem Masturbieren anfange, und dann aber ganz erfolgreich und souverän die Situation in den Griff kriege. Es geht vor allem darum, möglichst viel positive Gewohnheit für diese Situation zu erzeugen, so daß ein starker positiver Trägheits-Moment für diese Handlungs-Gewohnheit entsteht, so daß ich also tatsächlich fast aus reiner Gewohnheit das Masturbieren abbreche und daher nur noch minimale Willenskraft dafür brauche. Wenn ich so drüber nachdenke, dann erscheint mir das auf jeden Fall ein Versuch wert zu sein. - - - Mir ist in den letzten Tagen wieder etwas Wichtiges bewußt geworden: Die Geilheit, die durch Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation entsteht, beeinflußt wirklich ganz stark meine Urteils-Fähigkeit. Letzte Woche zum Beispiel habe ich mich sehr aktiv von sexuellen Reizen und Gedanken abgelenkt, und ich habe mich sehr gut dabei gefühlt, sehr entspannt und ausgeglichen. Natürlich mußte ich wachsam bleiben und mich immer wieder zusammenreißen, doch insgesamt fühlte ich mich sehr ausgeglichen. Jetzt, nach dem ich innerhalb von sieben Tagen wieder zwei mal masturbiert habe, fühle ich mich nicht nur überhaupt nicht ausgeglichen. Nein, ich kann mich nicht einmal an das Gefühl der Ausgeglichenheit erinnern. Gestern war ich den ganzen Tag über spitz wie Nachbars Lumpi, und habe ständig einer Frau nach der anderen hinterher geschaut, UND ich hatte das Gefühl, daß das RICHTIG und IN ORDNUNG ist. Die Geilheit hat also meine Vernunft und Urteils-Fähigkeit völlig außer Kraft gesetzt. Ich meine, ich wußte eigentlich auch gestern, daß es nicht gut ist, wenn ich wie ein "geiler Bock" einer Frau nach der anderen hinterher schaue. Doch es ERSCHIEN mir nicht so gefährlich zu sein. Es wirkte harmlos, UND es fühlte sich so gut an! Heute morgen bin ich dann schon wieder total "horny" aufgewacht, immer noch mit Traumbildern im Kopf, wie ich mir Pornos anschaue und dazu masturbiere. Ich finde das ECHT KRASS! Ich meine, ich nehme keine Bewußtseinsverändernden Drogen, ich trinke keinen Alkohol oder so. Das ist einfach ganz normale sexuelle Geilheit! Naja, nicht ganz normal, weil sie ja noch stark von Jahren der Sexsucht beeinflußt ist. Doch es ist eben ein körperliches Gefühl. Ein Gefühl, und kein mit heftigen Drogen erzeugtes Delirium. Und trotzdem beeinflußt es mein Denken und meine Urteilsfähigkeit so stark! ES IST WIRKLICH SO, ALS STÜNDE ICH UNTER DROGENEINLUSS! Also ich merke jedenfalls ganz deutlich, daß ich auch noch Tage nach dem Masturbieren ganz stark von der Geilheit beeinfluß werde, die ich dabei empfunden habe. Es ist wirklich wie in diesem klassischen Beispiel: Wenn ich ein Glas mit schmutzigem Wasser habe, und weiter mit einem Löffel darin herumrühre. Dann wird das Wasser weiter schmutzig und trübe bleiben. Doch wenn ich das Glas mit dem Wasser einfach hinstelle. Dann wird es zur Ruhe kommen, und der Schmutz setzt sich langsam auf dem Boden ab, bis das Wasser wieder klar wird. Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation sind auf dieses Bild bezogen eben, wenn ich mit dem Löffel stark in dem Wasser-Glas herumrühre. Egal wie, und wie heftig, und wie lange ich in dem Glas herumwühle, es wird immer aufgewühlt und trübe bleiben. Erst wenn ich damit aufhöre, den Löffel herausnehme, und das Wasser zur Ruhe kommen lasse, wird es sich langsam wieder klären. Doch das braucht eben seine Zeit, und für diese Zeit ist das Wasser eben noch aufgewühlt und trübe. Und genau so leide ich auch noch Tage lang unter den heftigen Gefühlen, die ich mit der Masturbation aufgewühlt habe. - - - Und mir ist heute noch etwas wichtiges aufgegangen. Ich hatte ja in meinen letzten Einträgen davon geschrieben, daß Gier aus Angst entsteht, aus der Angst, daß es nicht genug gibt, daß nicht genug da ist, daß es einen Mangel gibt. Und ich hatte geschrieben, daß Gier niemals befriedigt werden kann, daß die Gier niemals genug hat, EGAL wieviel man ißt, trinkt oder xxx. Das Gefühl des Mangels bleibt weiter bestehen, daß es nicht genug gibt, daß nicht genug da ist. Jetzt muß man ja nur eins und eins zusammenzählen. Und heute ist mir nun klar geworden: Je mehr ich mich in die sinnliche Gier flüchte, desto größer wird auch die Angst, die hinter der Gier steckt. Gier, und die Angst, daß es nicht genug gibt, sind zwei Seiten derselben Medaille. Gier mag sich auf den ersten Blick gut anfühlen. Doch sie wird unbewußt immer von der Angst begleitet, daß es nicht genug gibt. IMMER! Ohne Ausnahme! Das heißt, wenn wir uns in die Gier flüchten, wenn wir versuchen in der Gier einen Halt zu finden, dann MÜSSEN wir scheitern. Denn je größer die Gier wird, desto größer wird auch die Angst, daß am Ende nicht genug da ist. Oder, daß vielleicht sogar irgendwann gar nichts mehr da ist. Warum schreibe ich so explizit darüber? Weil wir als Sexsüchtige alle diese Angst kennen! Wir kennen die Angst, daß nicht genug da sein könnte. Wir kennen die Angst, daß es sich furchtbar anfühlen wird, wenn wir loslassen. Wir kennen die Angst, daß es sich furchtbar anfühlen wird, wenn wir die Pornoseiten, die wir aufgemacht haben, einfach wieder schließen. Wir kennen die Angst, daß es sich furchtbar anfühlen wird, wenn wir den geilen Videoclip, den wir uns gerade anschauen, einfach wieder ausmachen. Wir kennen die Angst, daß es sich furchtbar anfühlen wird, wenn wir einfach wieder damit aufhören zu masturbieren. Wir kennen alle diese Situationen. Wir kennen das, wenn wir uns stundenlang gierig ein Porno-Video nach dem anderen angeschaut haben, und uns dann plötzlich zwischendurch bewußt wird, daß es ja eigentlich falsch ist, was wir da machen, daß wir uns selbst und anderen damit schaden. Dieser Geistesblitz durchzuckt uns dann, und wir wissen dann, daß es eigentlich besser wäre, wenn wir einfach wieder ausmachen und aufhören würden zu masturbieren. Doch dann durchzuckt uns diese Angst, diese Angst, daß sich das furchtbar anfühlen wird, daß es sich furchtbar anfühlen wird, wenn wir einfach loslassen. Dieses Gefühl der Leere, der Frustration und Enttäuschung. "Es wird sich furchtbar anfühlen, wenn dieses gute Gefühl verschwindet!" [...]
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09.05.2012 21:09:04 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Mittwoch, 9. Mai 2012: [...] Doch durch diese Gedanken wächst die Angst nur weiter, und weil wir seit so langer Zeit süchtig sind, kennen wir nur diesen einen Weg aus der Angst – tiefer in die Gier. Also schauen wir uns mehr Videos an, heftigere Videos, und wir masturbieren heftiger. Der Rausch wird heftiger! Und ein paar mal blitzt die Vernunft vielleicht noch ganz kurz in uns auf. Doch wir schieben diese kurzen Lichtblicke schnell beiseite und masturbieren fieberhaft weiter. Doch mit jeden dieser kleinen Lichtblitze steigt die Angst, steigt die Gier, bist wir ejakulieren. Dann haben wir vielleicht für eine kurze Zeit eine gewisse Ruhe. WENN wir diese Ruhe haben. Denn wir kennen es auch alle, daß wir nach kurzer Zeit wieder von neuem damit anfangen Porno-Seiten zu öffnen und zu masturbieren. So das der ganze Prozeß von vorne losgeht. Die Gier brennt immer heißer, und die Angst wird immer größer. Denn, je länger und heftiger wir in dieses Suchtverhalten einsteigen, desto schlechter fühlen wir uns jedes mal danach. Denn wir laugen uns immer mehr aus, schwächen uns immer mehr, degenerieren immer mehr. Bis unser allgemeines Alltags-Gefühl so schlecht geworden ist, daß wir eine große Angst vor diesem Unwohlsein bekommen. Und das treibt uns dann noch weiter in die Sucht hinein – in diesen Kreislauf aus Angst und Gier. Oh ja, wir alle kennen diese Angst. Und wenn wir hier in diesem Forum gelandet sind, dann kennen wir auch eine weitere Angst: Die gewaltige Angst, von all dem FÜR IMMER loszulassen. Wenn wir ehrlich sind: Es graut uns davor. Es versetzt uns in Schrecken. "NIE wieder?! Wirklich NIE wieder?!" Wirklich eine furchtbare Vorstellung. [DENKPAUSE] Doch die Angst wäre gar nicht da, wenn die Gier nicht wäre. Die Angst wäre nicht da, wenn die Gier nicht wäre. Und ohne die Angst wäre auch die Gier nicht da. Ohne die Angst, wäre auch die Gier nicht da. Wenn wir von der Gier loslassen, dann wird auch die Angst verschwinden, und wir können lernen, diesem Prozeß zu vertrauen. Wir können lernen, wieder zu vertrauen. Wir können Vertrauen lernen. Wir können lernen, darauf zu vertrauen: "Es stimmt gar nicht. Es wird gar nichts schlimmes passieren, wenn ich einfach aufhöre. Es wird sich nicht furchtbar anfühlen, wenn ich einfach aufhöre. Es wird sich nicht furchtbar anfühlen, wenn ich von der Gier loslasse. Und die Angst, die ich jetzt gerade noch spüre – diese Angst wird verschwinden. Sie wird zusammen mit der Gier verschwinden. Die Angst wäre ohne die Gier nicht da, und sie wird zusammen mit der Gier verschwinden." Und dann wird sich Vertrauen einstellen. Es wird das Gefühl "Vertrauen" entstehen. Weil ich von der Gier loslasse, wird die Angst verschwinden. Ich brauche nichts weiter dafür zu tun! Ich brauche mich nicht selber zu verurteilen, ich brauche mich nicht selber zu bestrafen. Ich brauche mich nicht aufregen, brauche nicht wütend auf mich zu sein, und im gewissen Sinne muß ich auch gar nicht mehr "kämpferisch" sein. Ich muß einfach nur von der Gier loslassen, und die Angst wird verschwinden. Und selbst das MUSS ich im gewissen Sinne nicht tun. Ich MUSS mich nicht geistig oder gefühlsmäßig dazu zwingen, daß ich die Gier loslasse. Ich muß mir nicht immer wieder sagen: "Du mußt, du mußt, du mußt." Denn in dem MUSS, ist schon ein "ich will aber nicht" enthalten. Ich muß mir kein Über-Ich in mir selber schaffen, mit dem ich mich selber dazu zwinge, die Gier loszulassen, obwohl ich vor dem loslassen eigentlich Angst habe. Eben wegen der Gier habe ich ja Angst davor, die Gier loszulassen. Statt dessen ist es besser, sich diesen Prozeß wirklich klar zu machen, und sich dann direkt auf ein Gefühl des Vertrauens einzulassen. Also gründlich drüber nachdenken, den Prozeß theoretisch verstehen, und sich dann auf ein Gefühl von Vertrauen einlassen. Vertrauen darauf, daß es wirklich so ist. Es ist wirklich so, daß ich eben nur deshalb Angst habe, weil ich der Gier folge, und wenn ich von der Gier loslasse, dann wird auch diese Angst verschwinden. Ich meine, natürlich muß man dann auch "den Absprung" machen. Man muß also tatsächlich AUFHÖREN, das zu tun, was mit Gier verbunden ist. Doch statt sich in einen kämpferischen Gefühlszustand zu begeben. Statt also die Gier mit dem eigenen Stolz besiegen zu wollen. So nach dem Motto: "Ich bin ein willensstarker Mensch! Ich werde die Gier besiegen!" Statt dessen ist es vielleicht besser, erst einmal einen respektvollen, distanzierten Gefühlszustand herzustellen, der von gründlicher Reflektion begleitet wird. Also eher: "Okay, ich muß einsehen, daß ich mit Willenskraft alleine hier nicht weiterkomme. Ich muß mir eingestehen, daß die Gier sehr mächtig ist, und ich darf sie nicht unterschätzen. Sie ist zu mächtig, als daß ich arrogant mit ihr spielen dürfte. Ich sollte also die Dinge vermeiden, die zur Gier führen." Und dann einen versöhnlichen Gefühlszustand herbeizuführen: "Okay, ich weiß ja, daß diese Gier nicht einfach ein chaotischer Gefühlszustand ist, sondern, daß diese Gier aus einer gewissen Angst heraus entsteht. Ich weiß aber auch, daß diese Angst von der Gier erzeugt wird. Die beiden bedingen einander. Ich kann also darauf vertrauen, daß diese Angst zusammen mit der Gier verschwinden wird, wenn ich aufhöre, die Sachen zu machen, die zur Gier führen." Oder anders ausgedrückt: "Ich brauche keine Angst davor zu haben, daß diese Angst nicht verschwindet. Ich brauche keine Angst davor zu haben, daß dieses Gefühl nicht verschwindet. Dieses Gefühl, daß ich nicht genug haben werden, daß nicht genug da ist, und daß ich unter einem Mangel leiden werde. Dieses Gefühl, diese Angst wird sich mit der Zeit setzen, wie der Schmutz in einem aufgewühlten Wasser-Glas. Darauf kann ich vertrauen, und dieses Vertrauen wird mit der Zeit immer größer werden." Also: "Ich werde also in Zukunft keine Gier mehr haben, und auch nicht die Angst und die Not, die damit verbunden ist. UND ich werde auch keine Angst mehr davor haben, daß die Gier oder diese Angst wieder kommt. Ich werde das VERTRAUEN haben, daß sie nicht mehr wieder kommen. Und dann werde ich die Gier und die Angst vergessen. Und dann werde ich sie eines Tages vergessen HABEN, und es wird so sein, als ob ich sie niemals gehabt hätte. Und es wird gut sein. - - - Oh, mir ist gerade noch ein sehr, sehr guter Gedanke gekommen: Ich habe schon ein paar mal darüber geschrieben, daß ich mich auch mit dem auseinandersetzen muß, was hinter der Sucht steht, also mit den Bedürfnissen, die hinter der Sucht stecken. Die Bedürfnisse, um die es mir vielleicht eigentlich geht, und die ich mit der Sucht als ERSATZ zu befriedigen versuche. Das heißt, ich bin dabei davon ausgegangen, daß es da ein einzelnes oder mehrere Bedürfnisse in meinem Leben gibt, denen ich nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe. Daß es da also eines oder mehrere Bedürfnisse gibt, die ich nicht befriedigt habe, und daß DESHALB die Sucht entstanden ist. Eben als ERSATZ-Befriedigung für das eigentliche Bedürfnis, daß ich ignoriert habe. Und wenn ich mich erst wieder um dieses eigentliche Bedürfnis gekümmert habe, wenn ich es genügend "befriedigt" habe, dann werde ich damit auch die Ursache für die Sucht beseitigen. Das ist auf jeden Fall der traditionelle Ansatz westlicher Psychologie. Im gewissen Sinne sogar noch ein Ansatz, der auf Freud zurückgeht. Denn er war ja davon ausgegangen, daß der verdrängte Sexualtrieb, oder daß überhaupt verdrängte Bedürfnisse sich ihren auf andere Art und Weise ihren Weg bahnen. Doch: Was, wenn das gar nicht stimmt? Was, wenn es so ein zu Grunde liegendes Bedürfnis gar nicht gibt? Was also, wenn meiner Sucht überhaupt kein verdrängtes Bedürfnis zu Grunde liegt? Was denn, wenn die Probleme meiner Sucht einfach mit der Sucht zusammen, und durch die Sucht, entstanden sind, und dann mit der Sucht zusammen wieder verschwinden? Was ich meine ist folgendes: Eben habe ich schon davon geschrieben, daß die Angst vor dem Mangel eben zusammen mit der Gier verschwindet. Nun könnte man natürlich tiefenpsychologisch herauszufinden versuchen, ob ich in der Kindheit oder Jugend bestimmte Mangelerfahrungen gemacht habe, die mich in die Sucht hineingetrieben haben. Daß ich also als Kind oder Jugendlicher einen gewissen Mangel erfahren habe, der mich anfällig für Gier gemacht hat. Doch: Was, wenn dieses Mangel-Bewußtsein eben erst mit der Sucht entstanden ist? Sucht erzeugt ja eben auf Dauer ein starkes Ungleichgewicht, und damit eben ein Gefühl des großen Mangels. Nämlich immer dann, wenn ich gerade nicht mein Suchtverhalten praktiziere. Denn ich gewöhne mich ja an die heftigen Kicks, die durch das Suchtverhalten entstehen, und alles andere wirkt dagegen eben "mangelhaft". Und wenn man lange genug süchtig ist, dann verselbständigt sich dieses Gefühl des Mangels ja auch. Das heißt, das Gefühl des Mangels wird ein immer normalerer Bestandteil des Lebens, und damit auch der Lösungsversuch durch die Gier der Sucht. Wir kennen das doch alle, daß die Welt dann auf einmal grau erscheint. Ich weiß aber, und kann mich daran erinnern, daß ich als Kind dieses Mangel-Gefühl nicht hatte. Ich hatte keine große Angst davor, daß es nicht genug geben könnte. Ich meine, ich hatte dieses gewisse Grund-Vertrauen, daß alles gut wird, und daß genug da ist. Und die Welt war damals auch nicht grau, sondern sie war bunt und lebendig. Vielleicht gibt es da ja gar keine zu Grunde liegenden Probleme, sondern einfach nur das Ungleichgewicht, daß ich selber durch Gier und Angst erzeugt habe. [...]
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09.05.2012 21:14:30 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Mittwoch, 9. Mai 2012: [...] Als Jugendlicher hatte ich vielleicht durch meine Jugend ein großes Maß an Grund-Energie, an Grund-Vitalität, die zu einem guten Lebensgefühl führt. Das heißt, als ich damals angefangen habe, mich in die Gier zu stürzen, da fühlte sich das auch noch ziemlich gut an. Einfach, weil ich noch so viel Grund-Vitalität hatte, daß die negativen Konsequenzen meiner Süchte sich noch nicht so stark bemerkbar gemacht haben. Obwohl sie sich dann schon relativ schnell bemerkbar gemacht haben. Auf jeden Fall fühlte sich das alles noch relativ gut an. Ich habe mich dabei noch nicht so schlecht gefühlt, wie später. Oder habe ich's einfach nur nicht gemerkt? Habe ich einfach, aus jugendlicher Unreife, aus jugendlichem Erfahrungs-Mangel nicht den Zusammenhang zwischen meinem Suchtverhalten und den anderen Problemen in meinem Leben gesehen? Ja, das klingt plausibel. Denn die negativen Konsequenzen haben sich dann schon relativ schnell bemerkbar gemacht. Ich meine, ich war ungefähr sechszehn Jahre alt, als ich angefangen habe, zu rauchen, zu kiffen und zu saufen, und mit achtzehn Jahren habe ich schon mit einem Psychologen über depressive Angst-Störungen gesprochen. Okay, Depressionen waren vorher schon bis zu einem gewissen Grad da. Aber nicht so heftig. Nicht so schlimm. Das, was das Faß wirklich zum Überlaufen gebracht hat, waren schon ganz klar die verschiedenen Süchte. Wenn ich so drüber nachdenke, dann ist es ja irgendwie auch klar, daß man als unerfahrener Jugendlicher, der in den neunziger Jahren mit Grunge und Kurt Kobain aufwächst, nach einfachen Lösungen sucht, und zu einfach Lösungen greift. Eben instant gratification, und damit Süchte. Meinen verschiedenen Süchten, und meinem Suchtverhalten liegen also offenbar doch gewisse Probleme in der Vergangenheit zu Grunde. Meine Ausgangs-Situation in der Kindheit und Jugend haben mich schon bis zu einem gewissen Grad anfällig für Gier und Suchtverhalten gemacht. Doch ich habe trotzdem das Gefühl, daß die Lösung für die Sucht nicht darin besteht, daß ich bestimmte zu Grunde liegende Bedürfnisse erfülle, sondern einfach, daß ich das Suchtverhalten loslasse. Daß ich also von der Gier loslasse, und damit langfristig auch die Angst verschwindet. Oder um es ganz deutlich zu sagen: Daß ich mich der Angst stellen muß, die zusammen mit der Gier entsteht, daß ich diese Angst eine gewisse Zeit lang aushalten muß, bis sie sich, genau wie die Gier, wieder gelegt hat. Ich glaube, die emotionalen Probleme, die mit und durch die Sucht entstehen, verschwinden auch zusammen mit der Sucht wieder. Natürlich, je heftiger und länger ich süchtig war, desto heftiger wird natürlich das Loch, in das ich falle, und desto länger dauert es natürlich, bis sich meine Gefühle wieder regulieren. Doch ich glaube, daß Grundproblem aller Süchte ist ganz einfach – die Gier. Denn die Gier ist eben unstillbar. Das ist ja das entscheidende Merkmal der Gier. Und weil die Gier unstillbar ist, führt sie eben zu einem immer extremeren Verhalten. Ein immer extremeres Verhalten bedeutet aber, daß ich ein immer größeres Ungleichgewicht in meinem Leben erzeuge, und das macht sich dann in Form von allen möglichen negativen Konsequenzen im Leben bemerkbar. Wenn ich aber verstehe, daß meine große Gier eben mit einer großen Angst zu tun hat. Wenn ich verstehe, daß hinter meiner Gier diese große Angst steht, daß ich nicht genug bekommen werde, und wenn ich verstehe, daß diese Angst NUR WEGEN der Gier da ist. Ja, dann kann ich auch verstehen, daß der Ausweg aus diesem Teufelskreis Vertrauen ist. Also, daß ich wieder lerne, darauf zu vertrauen, daß ich mich ohne die Gier besser fühlen werde als mit der Gier. Oder abgekürzt gesagt: Daß es eben eines Tages einfach wieder gut sein wird. - - - Eine Sache will ich dazu aber noch ergänzen. Es ist natürlich so, daß es ganz natürlich Prozesse gibt, die einfach entgleiten und in Extreme ausarten können. Ich verspüre gerade zum Beispiel einen starken Hunger. Und aus meiner Erfahrung weiß ich, daß wenn ich jetzt mit diesem starken Hunger einkaufen gehen würde, wahrscheinlich viel mehr kaufen würde, als wenn ich satt wäre. Überhaupt merke ich jedes mal, wenn ich großen Hunger habe, daß ich dann natürlich viel mehr an Essen denke, und nicht nur mehr, sondern auch in einer anderen Art. Das Essen, das ich mir vorstelle, bekommt auf einmal eine sehr leuchtende Qualität. So, wie die Abbildungen von dem Essen in Fast-Food-Restaurants ja auch immer ungeheuer ansprechend wirken, und dann in der Realität vergleichsweise enttäuschend aussehen. Wenn ich meinen Hunger nun noch länger hinaus zögern würde. Dann würde ich vielleicht auf die Idee kommen, mir eine leckere, große Pizza zu bestellen, mit extra Käse obendrauf. Und es würde mir mit der Zeit vielleicht auch immer schwerer Fallen, dieser Versuchung zu widerstehen. Vielleicht würde ich sie dann sogar bestellen, und wenn sie dann da ist, würde ich sie mit einem großen Heißhunger gierig verschlingen. Das könnte so passieren, und so würde aus dem Hunger, der ein natürliches Bedürfnis ist, und der mit dem Gefühl der Sättigung aufhört. So würde aus dem Hunger Gier werden. Gier, die nicht natürlich ist, und die eben nicht mehr mit dem Gefühl der Sättigung aufhört. Doch es könnte auch anders ablaufen. Selbst wenn ich meinen Hunger noch weiter hinauszögere, könnte ich mir mit Hilfe meiner Vernunft klar machen, daß eine große, leckere Pizza zu groß ist, zu teuer ist, und daß es auch nicht gut wäre, sie gierig zu verschlingen. Mit Hilfe der Vernunft (der richtigen Einsicht), könnte ich also dahin kommen, daß ich mich trotzdem dafür entscheide, mir zum Beispiel einfach ein Käse-Sandwich zu machen. Das schmeckt vielleicht nicht ganz so gut. Doch es ist nicht zu groß, nicht zu teuer, und ich muß es auch nicht gierig herunter schlingen. Und was das beste ist: Auf diesem Weg kann ich mein Vertrauen vergrößern, daß nichts schlimmes passiert, wenn ich einfach nur meinen Hunger stille. Daß nichts schlimmes passiert, wenn ich ohne Gier esse. Und daß auch nichts schlimmes passiert, wenn Gier entsteht, und ich dieser Gier aber nicht nachgebe, sondern einfach aufhöre zu essen, wenn ich satt bin, und dann vertrauensvoll, also des Vertrauens voll, darauf warte, daß das Gefühl der Gier wieder verschwindet. Und so gibt es sicherlich eine Reihe von natürlichen Bedürfnissen, wie Hunger und Durst, aber auch Sexualität, die, wenn sie aus einem gewissen natürlichen Gleichgewicht geraten, zur Gier werden können, wenn man nicht aufmerksam darüber wacht, daß sie eben nicht zur Gier werden. - - - Ui! Heute reißen die guten Gedanken nicht ab! Keine Kompensation! Keine Kompensation! Das wird das nächste Thema, über das ich schreibe. Keine Übersprunghandlung, keine Kompensation, keinen Ersatz! Einfach die Gier ausbrennen lassen. Wenn ich eine starke Gier nach Pornos habe, dann sollte ich nicht nur auf die Pornos verzichten. Ich sollte vor allem auf die Gier verzichten! Ich sollte vor allem auf die Gier verzichten! Ich sollte vor allem auf die Gier verzichten! Also nicht als Ersatz für Pornos zum Beispiel: Süßigkeiten futtern. Nein! Keine Übersprunghandlung, keine Kompensation, keinen Ersatz – kein Brennstoff für die Gier! Das Problem sind nicht Essen, Trinken oder Sex. Das Problem sind nicht die vielen, verschiedenen Sucht-MITTEL, die es gibt. Das Problem ist die Gier! Wer die Gier losläßt, überwindet alle Süchte. Und wer die Gier nicht losläßt, der wird von ihr immer wieder in die Süchte hineingezogen werden. Es heißt also nicht umsonst: "Wäret den Anfängen!" In diesem Sinne, Nein, ich möchte einen anderen Sinn an das Ende dieses Eintrags stellen: Lernen wir, darauf zu Vertrauen, daß nichts schlimmes passiert, wenn wir von der Gier loslassen. Lernen wir, darauf zu vertrauen, daß die Angst vor Mangel zusammen mit der Gier verschwindet. Und lernen wir, diesem Vertrauen zu vertrauen. In DIESEM Sinne, Paul
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09.05.2012 21:18:17 | ||
Andi72 | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 197 Mitglied seit: 14.01.2012 IP-Adresse: gespeichert | Hallo Paul, du hast wieder sehr viel reflektiert. Ich werde mir die Zeit nehmen, es zu studieren und dann ggf zu antworten. Vielleicht magst du in der Zwischenzeit auch meine Gedanken zum letzten Rückfall lesen, vielleicht kannst du auch hieraus etwas mitnehmen. :) Den betreffenden Gedanken von dir möchte ich nicht unkommentiert lassen. Es geht hier in diesem Forum nicht nur darum, die eigene Katharsis für sich selbst zu dokumentieren und zu reflektieren, sondern auch darum, vielleicht jemanden mit dem gleiche Problem, der dies hier liest, einmal helfen zu können | |
09.05.2012 21:42:59 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Donnerstag, 10. Mai 2012: Hey Andy, Ich poste diesen Beitrag in meinem eigenen Tagebuch, obwohl ich mich auf Beiträge von Dir beziehe, die ganz woanders stehen. Auf diese Weise habe ich aber alles zusammen in einem Thread. Ich habe mir Deine letzten Beiträge durchgelesen, und ich bin sehr begeistert von Deiner poetischen Darstellung Deiner Sucht. Ich hatte vorher gerade den zweiten Sherlock Holmes Film gesehen, und ich habe Deine rostige Achterbahn und Deinen Jahrmarkt in einer Gaslicht / Sepia – Version des 19. Jahrhunderts gesehen, und ich hatte ein klares Bild von Dir, wie Du mit im Nadelstreifen-Anzug, mit hängenden Schultern, deprimiert, von Deiner quietschenden Schaukel aus, wehmütig zu den Holzgerüsten der Achterbahn hinüberschaust, die schattig aus dem dichten Londoner Nebel ragen. Ich war aber nicht nur begeistert davon, sondern ich habe mich auch darin wiedergefunden, und ich glaube, daß ich sehr gut nachvollziehen kann, was Du beschreibst. Ich erinnere mich auch daran, daß ich es zu meinen Hochzeiten geliebt habe, stundenlang vor meinem PC zu sitzen, und mich in den Porno-Rausch zu stürzen, und auch ich bin damit irgendwann in die Phase eingetaucht, in der ich langsam gemerkt habe, daß es mir schadet, und daß es mein Unwohlsein "nicht mehr zuverlässig" beseitigt. Dann bin ich auch dazu übergegangen, meinen Rausch "krasser auszubauen", und ich glaube, ich bin dabei sogar noch ein gutes Stück weiter gegangen als Du. Denn ich bin zwar nicht so weit gegangen, mich auf "illegale Teile und Effekte" zu verlassen, aber "unzuverlässig und verrottet" waren sie schon manchmal. Doch insgesamt wurden diese Erfahrungen immer enttäuschender. Das Ungleichgewicht, das ich mit ihnen erzeugte, wurde einfach zu groß, und so lernte ich dann auch die Täler kennen, in denen ich "verzweifelt, ängstlich und depressiv" war. Und mit dem Bild von dem Park neben dem Rummelplatz konnte ich mich sofort identifizieren. Ich habe das sofort verstanden, wie Du aus der sicheren Distanz wehmütig Deine alte Haßliebe beobachtest. Und weil man sich gedanklich mit den alten Suchtmitteln beschäftigt, weil man anfängt sich mit ihnen zu "unterhalten", mit ihnen zu "plauschen" und zu "schwatzen", verlieren sie allmählich ihren unheilvollen Charakter. Dann läßt man sich noch einmal drauf ein, weil's ja eigentlich gar nicht so schlimm aussieht aus der Distanz, die man aufgebaut hat. Doch dem liegen ja zwei Irrtümer zu Grunde: 1. Wir haben uns durch eine gewisse Zeit der Abstinenz schon wieder erholt. Wir fühlen uns gut, wie der Raucher, der schon ein paar Wochen geraucht hat, und dann AUS DIESEM GUTEN GEFÜHL HERAUS das Rauchen wieder als etwas Vielversprechendes sieht. Genauso geht es uns. Aus unserem guten, erholten Gefühl heraus betrachten wir unsere alten Suchtmittel. Nicht so, wie sie wirklich sind, sondern so, wie das gute Gefühl sie erscheinen läßt. Streng genommen sehen wir sogar nur das gute Gefühl und gar nicht die Sache selbst. Und dann denken wir ganz naiv: "Warum dieses gute Gefühl nicht noch mit einem weiteren guten Gefühl verbessern?", so wie ein Raucher nach dem Essen eine raucht, weil das gute Gefühl durch das Essen ihm nicht mehr ausreicht. Und so schleicht sich die Gier wieder ein: "Es reicht nicht, ist nicht genug…" 2. Naja, und der zweite Irrtum ist natürlich einfach: "Ich kann ja jederzeit wieder aufhören." Dieser Irrtum wird natürlich davon bestätigt, daß wir gerade eine Zeit lang erfolgreich ohne unser Sucht-Mittel ausgekommen sind, und deshalb glauben, uns schon dauerhaft befreit zu haben. Und dem, was Du im letzten Satz dieses Eintrags geschrieben hast, kann ich auch nur zustimmten. Ich glaube fest daran, daß die Erinnerungen an unsere Sucht mit der Zeit verblassen werden, und daß wir sie eines Tages ganz vergessen. - - - Jetzt möchte ich auf Deinen Beitrag eingehen, in dem Du Deine sechs Punkte aufgeschrieben hast. Das Beispiel mit dem Bergsteigen ist perfekt. Es ist wirklich so. Man kämpft Tage, Wochen oder Monate lang, und durch eine kleine Unachtsamkeit stürzt man ab. Im schlimmsten Fall tiefer als zuvor. Dazu möchte ich hier etwas posten, daß ich eigentlich schon vor über zwei Monaten geschrieben, aber bisher noch nicht veröffentlich habe. Ich finde es paßt ziemlich gut zu dem Bild, das Du gewählt hast: Der große Irrtum - Ein Faß ohne Boden Denken ist ja überhaupt schon schwierig. Das muß man sich erst mal eingestehen. Ich glaube, der Irrtum, dem viele Menschen aufsitzen, die sich von einer Sucht befreien wollen, ist der, daß sie gar nicht begreifen, wie gewaltig der Schaden ist, den sie in ihrem Denken angerichtet haben. Denn, was tun wir denn im Denken, wenn wir eine Sucht entwickeln? Jedes mal, wenn wir der Sucht nachgeben, verstärken wir eine bestimmte Gewohnheit im Denken, nämlich die Gewohnheit nachzugeben, und mit jedem Nachgeben werden wir schwächer und verlieren an Selbst-Bestimmung. Es ist wie mit einem Ballon aus dem man Luft entweichen läßt. Und der Trugschluß, den meiner Meinung nach viele Leute machen, ist der, daß sie glauben, daß es bei dieser Denk-Gewohnheit des Nachgebens ein Limit gibt, daß es eine Grenze gibt, eine Art Sicherheits-Funktion, die dafür sorgen wird, daß sie nicht zu viel nachgeben, und daß sie deshalb unbesorgt weiter nachgeben können. Doch das ist falsch. Das Nachgeben ist ein Faß ohne Boden. Ein-Faß-ohne-Boden. Mit jedem Nachgeben in die Sucht werde ich schwächer, mit jedem noch so kleinen Nachgeben werde ich ein Stück schwächer als vorher, und beim nächsten mal wird es mir noch schwerer fallen, die richtige Entscheidung zu treffen, und wenn ich bei diesem nächsten mal wieder nachgebe, dann werde ich noch schwächer und es wird mir beim übernächsten mal noch schwerer fallen, mich gegen die Sucht zu entscheiden. Der Kampf gegen die Sucht ist, wie gegen den Strom zu schwimmen. Entweder ich kämpfe und komme vorwärts, oder ich gebe nach und treibe zurück. Es gibt keine Savepoints im Kampf gegen die Sucht. Ich kann jahrelang vollkommen clean sein, und in einem einzigen Moment der Schwäche tiefer und heftiger in die Sucht zurückfallen, als jemals zuvor. Das heißt, selbst wenn ich viele Jahre lang hart daran gearbeitet habe, mich aus der Sucht zu befreien, so schützt das allein mich nicht davor, wieder abzustürzen, und womöglich tiefer als zuvor. Sucht ist ein freier Fall nach unten. Und viele Menschen glauben nun, daß es irgendwas in ihnen gibt, daß schon dafür sorgen wird, daß sie nicht zu tief fallen werden. Doch das gibt es nicht. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Je mehr man die Gewohnheit des Nachgebens verstärkt, desto schneller und steiler stürzt man hinab und findet sich plötzlich in den tiefsten Abgründen des Lebens, von denen man nie geglaubt hätte, daß man sie jemals erleben würde. Und nicht nur das. Man hat auch kaum noch genug Kraft, um aus diesen Abgründen wieder herauszuklettern, denn mit jedem Nachgeben verliert man auch immer mehr an Kraft. Man wird genauso schlaff und kraftlos wie der Ballon, aus dem die Luft entwichen ist. Und so hockt man in seinem Abgrund, wie Gollum mit seinem Ring, und weil man so schwach und kraftlos ist, weil der Geist so müde und matt geworden ist, fällt es einem schwer, auch nur daran zu glauben, daß man jemals wieder aus diesem Abgrund herausklettern könnte, geschweige denn, sich dazu aufzuraffen, es wirklich zu tun. Und so gibt es auch Menschen, die sich aus diesem freien Fall der Sucht bis zum bitteren Ende, bis zum Tod, nicht befreien. Das einzige, was mich schützt, ist immer weiter aufwärts gegen den Strom zu schwimmen, immer wachsam zu bleiben und mich immer weiter zu verbessern. Wenn ich zum Beispiel erfolgreich meine Nikotin-Sucht überwunden habe, dann sollte ich nicht dabei stehen bleiben, sondern ich sollte das nächste Problem angehen. In meinem Fall war es das Kiffen. Jemand anderes, der gerade diesen Beitrag ließt, hat vielleicht nie geraucht, und er hat vielleicht auch kein Problem mit OSS. Aber vielleicht ist er süchtig nach MMORGs, und dann ist es auch nicht unwahrscheinlich, daß er ein Problem mit Übergewicht hat. Wenn er also seine Spielsucht nach einem harten Kampf erfolgreich in den Griff bekommen hat, sollte er dabei nicht stehen bleiben, sondern er sollte das nächste Problem angreifen, sein Übergewicht, und wenn er das erfolgreich gemeistert hat, dann sollte er das nächste Problem angreifen. Immer höher streben. Das ist der einzige Schutz davor abzustürzen. Denn wenn man diese Gewohnheit aufbaut, die Gewohnheit immer weiter aufwärts zu streben und sich immer weiter zu verbessern, egal wie gut man vielleicht schon ist, dann können einem Rückfälle nichts mehr anhaben, denn man strebt ja sowieso IMMER aufwärts, egal wo man steht. Es gibt immer nur eine Richtung, und das ist: aufwärts. Und wenn einem das erst mal richtig klar wird, wenn man das erst mal zu einer festen Gewohnheit wird, dann verlieren auch alle Rückfälle ihren Schrecken. Denn welchen Schrecken sollte ein Rückfall schon haben, wenn ich weiß, daß ich sofort wieder aufstehe, und daß ich sofort wieder aufwärts strebe? Was will mir der Rückfall den antun? Okay, ich bin gestolpert, ich bin vielleicht sogar gefallen. Aber ich verzeihe mir das sofort ich stehe ja IMMER sofort wieder auf, und ich strebe wieder aufwärts. Ich gebe IMMER mein bestes, und mehr kann ich nicht geben. - - - Nun zu den einzelnen Punkten: 1. Das, was mir in mir die größte Resonanz erzeugt hat, was das, was Du über die endgültige Abkehr von der Sucht geschrieben hast. Ich glaube, damit hast Du vollkommen recht. Solange man sich nicht wirklich von tiefsten Herzen dazu entschlossen hat, sich endgültig und restlos von der Sucht abzuwenden, wird man immer wieder abstürzen. Ganz einfach, weil man abstürzen WILL. [...]
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10.05.2012 20:19:20 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Donnerstag, 10. Mai 2012: [...] Mir ist dazu noch etwas Wichtiges eingefallen. Wenn man gerade wieder einen Rückfall hinter sich hat, oder vielleicht sogar mehrere. Dann wird einem natürlich schnell wieder bewußt, warum man sich von der Sucht befreien möchte. Einfach, weil man sich dann wieder schlecht fühlt. Aus dem schlechten Gefühl heraus sieht die Sucht natürlich sofort wieder abstoßend und erschreckend aus, und davon möchte man sich natürlich gerne befreien. Von etwas loszulassen, das unangenehm oder sogar schmerzhaft ist, fällt ja nicht schwer. Ein glühendes Stück Kohle läßt man ja bereitwillig und gerne los. Die Sucht loszulassen, solange sie unangenehm und schmerzhaft ist, ist also nicht das Problem. Nein, die Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist, von der Sucht loszulassen, wenn sie am schönsten ist, in voller Pracht, in vollem Glanz! Vor über zweitausend Jahren stand Alexander der Große auf einem griechischen Marktplatz vor einer Tonne, in der der berühmte Philosoph Diogenes hauste. Dieser Philosoph sprach zu ihm die berühmten Worte: "Geh mir aus der Sonne!" Doch er sagte noch mehr. Er sagte: "Ich habe mehr verachtet, als Du erobert hast." Das können wir uns zum Vorbild nehmen. Wenn wir die Sucht wieder einmal in ihrer vollen Pracht erleben, wenn sie uns wieder einmal in ihrem vollen Glanz erscheint, strahlend und leuchtend – süß und verlockend. Dann erst ist der Moment gekommen, in dem es wirklich ums loslassen geht. Wenn wir der Verlockung unserer Sucht, ähnlich wie Diogenes, entgegnen können: "Ich verachte mehr, als du mir bieten kannst", oder "Ich habe schon größere Verlockungen abgelehnt als deine", dann kommen wir der Befreiung näher. Was ich damit sagen will, ist: Wahrscheinlich befreit uns nicht der feste Entschluß, den wir fassen, wenn wir gerade wieder unter unserer Sucht leiden, sondern eher der Entschluß, der sagt: "Egal wie schön die Sucht auch sein mag. Und selbst wenn ich nie wieder etwas Schöneres in meinem Leben erfahren werde. Ja selbst, wenn ich hernach nur bei Wasser und Brot in einem dunklen, feuchten Keller das Ende meines Lebens abwarte. Lieber für immer so, doch dafür in Freiheit leben, als weiter von den goldenen Ketten der Sucht gefesselt bleiben!" Denn auch goldene Ketten rauben uns der Freiheit. Ein weniger pathetisches Beispiel: Wir müssen als Teenager aus wohlhabendem Hause auf das grenzenlose Budget unseres Vaters verzichten. Wir müssen auf seine Platin-Karte verzichten und unser eigenes Geld verdienen, damit wir dem goldenen Käfig entfliehen können. Oder ein cooles Beispiel: Wollen wir aus dem goldenen Käfig der Matrix ausbrechen und in wahrer Freiheit leben? Oder wollen wir uns lieber als willfährige Sklaven mit den Illusionen der Matrix zufrieden geben? Nehmen wir die blaue oder rote Pille? Ist es nicht sehr bezeichnend, daß eine der letzten Verführungen, die der Buddha auf seinem Weg zu Befreiung überwinden mußte, durch den bösen Dämon Mara geschah, der ihm einen Harem aus Jungfrauen anbot? Wie verlockend müssen die Bilder von jungen, knackigen Frauen gewesen sein, die dem Buddha nach sieben Jahren des zölibatären Asketen-Lebens in den Kopf schossen, nach dem er bereits seit sechs Tagen in tiefster Meditation verharrte! Diese Bilder müssen so plastisch wie die Realität selber gewesen sein. Ist es nicht bezeichnend, daß er dieses verlockende Angebot abgelehnt hat, als es am schönsten, am prächtigsten, am glanzvollsten war? Und warum hat er es ablehnt? Weil er die absolute Freiheit wollte! Weil er frei von den goldenen Ketten sein wollte. Weil er raus aus dem goldenen Käfig, raus aus der Matrix wollte. Und ich glaube, um nicht weniger geht es letztlich auch für uns: Um Freiheit. Nicht um die Möchtegern-Freiheit, die "ich-kann-jederzeit-aufhören-wenn-ich-will"-Freiheit. Nein, es geht um die echte, die wirkliche – die wahre Freiheit. Die wahre Freiheit, die in der modernen Konsumgesellschaft nur wenige Menschen kennen. Das ist der Gipfel, den wir erklimmen wollen, wenn wir den Berg besteigen – wahre Freiheit. Und diese wahre Freiheit ist tatsächlich kostbarer als jeder sinnliche Genuß, den uns unsere Sucht bescheren kann, und wenn wir erst einmal gründlich begreifen, daß diese unsere Freiheit wirklich und wahrhaftig von dieser Sucht bedroht wird, daß wir wirklich und wahrhaftig unsere Freiheit verlieren, wenn wir uns von unserem Suchtverhalten steuern lassen. Wenn wir anfangen, uns das deutlich klar zu machen. Ja, dann können aus dieser Einsicht Kraft schöpfen. Denn egal wie verlockend die Sucht dann auch erscheinen mag. "Meine Freiheit im Austausch?" Ich meine, wenn uns ein fremder Mensch dazu zwingen wollte, daß wir uns stundenlang Pornos bei ihm zu Hause anschauen und dabei masturbieren sollen. Würden wir das geduldig ertragen? Würden wir diese massive Einschränkung unserer Freiheit geduldig ertragen? Oder reagieren wir nicht schon auf die minimalste Einschränkung unserer Freiheit ganz empfindlich? Wenn uns zum Beispiel jemand den Weg versperrt? Warum reagieren wir nicht genauso, wenn es um die Sucht geht? "Freiheit oder Tod!" hieß es früher. Und bei uns heißt's jetzt "Freiheit oder… Pornos?" Ja, das ist es worum es wirklich geht: Um Freiheit. Ganz wichtig: Es geht ja nicht nur darum, daß wir mit dem Suchtverhalten unsere Freiheit für einen kurzen Augenblick aufgeben. Nein! Es ist viel, viel schlimmer! Es erscheint nur so, als ob wir die Freiheit nur für kurze Zeit aufgeben! Es ist eine Täuschung! Wir täuschen uns damit, daß wir glauben, daß wir nur im ersten Moment die Freiheit aufgeben. Nämlich in dem Moment, in dem wir damit anfangen unserer Suchtgewohnheit nachzugeben. Wir meinen, daß wir nur in dem Moment Freiheit aufgeben, in dem wir uns sagen: "Okay, ich mach's." Und dann glauben wir, daß wir wieder die Kontrolle übernehmen. Denn wir glauben ja, daß wir uns frei willig, also aus FREIEM WILLEN, dazu ENTSCHIEDEN haben, der Sucht nachzugeben, und wir glauben dann weiter, daß wir das, was wir dann machen, eben aus freiem Willen machen. Doch in Wahrheit geben wir mit jedem weiteren Augenblick unseres Suchtverhaltens immer wieder aufs Neue unsere Freiheit auf! Schon in dem Moment, in dem wir aufgehört haben, uns gegen die Sucht zu wehren, haben wir unsere Freiheit aufzugeben! Doch mit unserem Sucht-Verhalten geben wir nicht nur willig unsere Freiheit auf. Nein, mit jedem weiteren Moment des Sucht-Verhaltens geben wir immer bereitwilliger immer mehr von unserer Freiheit auf. Wir werden zu einem regelrechten Diener der Sucht, in dem wir mit jedem weiteren Moment mit voller Zustimmung das tun, was die Sucht uns befiehlt. Wenn wir uns also der Sucht hingeben, dann geben wir nicht nur für einen kurzen Augenblick unsere Freiheit auf, sondern für die ganze Zeit, in der wir das Sucht-Verhalten aufrecht erhalten. Doch das ist noch nicht alles. In Wirklichkeit geben wir noch weitaus mehr von unserer Freiheit auf. Denn wir schauen uns ja nicht nur einmal Pornos an, sondern immer wieder. Immer und immer wieder, und damit geben wir nicht nur jedes Mal stundenlang unsere Freiheit auf. Nein, wir schaffen eine Gewohnheit des Freiheit-Aufgebens! Man muß sich Zeit nehmen, um wirklich zu begreifen, wie tiefgreifend die Bedeutung davon ist: Eine Gewohnheit des Freiheit-Aufgebens. Was bedeutet das? Eine Gewohnheit des Aufgebens von Freiheit? Aufgeben, aufschieben, gering schätzen, nicht Ernst nehmen von persönlicher Freiheit! Wie kostbar ist unsere persönliche Freiheit? Ganz extrem formuliert: Im Laufe der Geschichte sind Millionen von Menschen in unzähligen Konflikten dafür gestorben, damit wir heute unsere ungeheure persönliche Freiheit genießen können. Ich stell mir zum Beispiel gerade die schrecklichen Anfangs-Szenen aus "Saving Private Ryan" vor, in der die amerikanischen Soldaten die Küste der Normandie stürmen. Mir ist klar, daß geschichtliche Prozeße vielschichtiger sind, als sie in Filmen dargestellt werden. Doch viele dieser Männer haben damals die Normandie gestürmt, um unsere persönliche Freiheit zu erkämpfen. Und wofür geben wir nun freiwillig diese Freiheit auf? – Für Pornos?! Mir geht es nicht darum, hier den Heroismus der amerikanischen Befreier darzustellen. Wie gesagt, ich weiß, daß Geschichte vielschichtiger ist. Mir geht es darum, den Wert meiner persönlichen Freiheit zu ermessen. Es geht mir darum, mir klarzumachen, wie kostbar meine persönliche Freiheit tatsächlich ist! Was würde ich nicht alles hergeben, um meine Freiheit wieder zu bekommen, wenn ich, wie damals Nelson Mandela, jahrelang in einer winzigen Zelle eingesperrt wäre! Ich meine, als Nelson Mandela damals frei gelassen wurde, wäre er auch nur für eine Stunde freiwillig in sein Gefängnis zurückgekehrt, um sich dort ungestört Pornos anzuschauen? Ich will das noch einmal ganz klar sagen: Mit dem Sucht-Verhalten schaffe ich eine Gewohnheit Freiheit-Aufgebens. Das heißt: Ich schaffe eine Gewohnheit des "NICHT MEHR FREI ENTSCHEIDEN KÖNNEN" !!! Und diese Gewohnheit kann ich nicht ohne weiteres wieder rückgängig machen, denn um DIESE Gewohnheit zu ändern, brauche ich DAS, was diese Gewohnheit zerstört hat – freie Willenskraft. Vor allem kann ich diese Gewohnheit nicht kurz mal eben wieder rückgängig machen, wenn ich sie irgendwann mal in einem anderen Bereich meines Lebens dringend brauchen sollte. Denn diese Gewohnheit des Freiheit-Aufgebens bleibt ja nicht auf Pornos beschränkt. Um zu veranschaulichen, wie dramatisch das ist, muß man sich vorstellen, daß es genauso ist, als würde man die Fähigkeit zu Schwimmen verlernen, und wenn man dann eines Tages irgendwo ins Wasser fällt, kann man auch nicht kurz mal eben schwimmen lernen. Nein, dann ertrinkt man. [...]
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10.05.2012 20:26:02 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Donnerstag, 10. Mai 2012: [...] Es geht ja nicht nur darum, daß man seine persönliche Freiheit für die Dauer einer Sucht-Session aufgibt, oder daß man eine Gewohnheit des Freiheit-Aufgebens im Bezug auf Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation entwickelt. Nein, man schafft eine ganz tiefgreifende Gewohnheit des Freiheit-Aufgebens, die vielleicht noch nach Jahrzehnten zu negativen Konsequenzen in Lebens-Bereichen führt, die gar keine direkte Verbindung mit Pornos oder Sexualität haben. Sie führt vielleicht noch nach Jahrzehnten zu negativen Konsequenzen, von denen wir dann schon lange nicht mehr verstehen, daß sie letztlich aus einer einzigen, ganz kleinen und unscheinbaren Fehlentscheidung entstanden sind. Nämlich zum Beispiel der kurze Augenblick, in dem wir unserer Sucht nachgegeben haben, weil wir der Illusion erlegen waren, daß es keine schwerwiegenden oder langfristigen Konsequenzen für uns haben würde. Ich möchte an dieser Stelle meinen Schluß ziehen: Es ging ja ursprünglich darum, daß wir einen festen Entschluß fassen müssen, uns endgültig und restlos von der Sucht abzuwenden, um sie wirklich dauerhaft erfolgreich zu überwinden. Dazu war mir dann eingefallen, daß der kritische Moment ja nicht derjenige ist, in dem wir unter der Sucht leiden, sondern derjenige, in dem uns die Sucht große Freude verspricht. Das ist der Moment, in dem sich wirklich entscheidet, ob wir die Sucht wirklich dauerhaft erfolgreich überwinden können. Also müssen wir einen Weg finden, wie wir von der Sucht gerade dann loslassen können, wenn sie uns besonders wertvoll erscheint. Damit uns das gelingt, habe ich aufgezeigt, daß wir nichts Geringeres als unsere persönliche Freiheit aufgeben, wenn wir der süßen Verlockung durch die Sucht nachgeben, und daß wir diese persönliche Freiheit nicht nur einmal oder kurzfristig, sondern dauerhaft aufgeben. Zusätzlich dazu habe ich darauf hingewiesen, wie kostbar unsere persönliche Freiheit tatsächlich ist, und wie gefährlich langfristig es ist, daß wir sie so leichtfertig preisgeben, wenn wir unserer Sucht nachgeben. Dazu möchte ich nur noch eines hinzufügen: Ich habe den Verdacht, daß uns unser Suchtverhalten, also Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation, zu einem ganz großen Teil einfach deshalb so harmlos und ungefährlich vorkommen, weil wir in der modernen Konsumgesellschaft leben, in dem es als völlig normal gilt, ununterbrochen allen möglichen Launen und Gelüsten nachzugeben, und völlig unbewußt und ohne drüber nachzudenken alle möglichen Sachen zu konsumieren. Unter anderem eben auch Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation. "It's just porn, mum." – Das ist der Zeitgeist. Oder anders ausgedrückt: ALLE machen es! Ich habe zwei Jahre lang in einem Sex-Shop gearbeitet. Ich WEISS, daß alle es machen. Wenn so viele andere Menschen so selbstverständlich und sorglos damit umgehen, und wenn es allein dadurch schon so normal und ungefährlich erscheint. Dann ist es natürlich auch nicht verwunderlich, daß es uns schwerfällt, uns von diesem Zeitgeist zu befreien. Es kann ja auch sein, daß sie alle in die Irre gehen, und daß wir in Wirklichkeit großes Glück haben, weil uns durch unser Sucht-Verhalten aufgefallen ist, wie schädlich Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation in Wirklichkeit sind. Viele andere Menschen denken vielleicht immer noch, daß das was sie da machen nicht schädlich oder vielleicht sogar gesund ist. Und sie werden vielleicht niemals diesen Irrtum einsehen. Wie hat Goethe noch sinngemäß gesagt: Die größten Sklaven sind diejenigen, die sich für frei halten, doch es in Wirklichkeit nicht sind? Es ist also gar nicht so verwunderlich, daß wir in unserer modernen Konsumgesellschaft Schwierigkeiten damit haben, klar zu erkennen, wie leichtfertig wir unsere kostbare, persönliche Freiheit preisgeben. Doch nun, wo wir auch das erkannt haben, müssen wir uns natürlich wachsam gegen diesen Zeitgeist abgrenzen. Ob ganz offen in der Auseinandersetzung mit anderen, oder still und heimlich, für sich allein. Das bleibt jedem selbst überlassen. Doch wenn man erst mal begriffen hat, wie umfassend man die eigene persönliche Freiheit im Konsumrausch preisgibt, und vor allem, wenn man sich von diesem Verhalten befreien will, dann muß man sich von diesem Zeitgeist lösen und akzeptieren, daß man damit vielleicht eine gewisse Outsider-Position einnimmt. Oder noch mal anders gesagt: Wenn die vielen anderen Menschen uns suggerieren, daß Pornos, Sexuelle Fantasien und Masturbation harmlos sind, dann irren sie sich vielleicht einfach. Bloß weil sie viele sind, haben sie ja nicht automatisch recht. Und für uns heißt das, daß wir uns nicht darauf verlassen können, daß sie eine fundierte, reflektierte Meinung zu Pornos, Sexuellen Fantasien und Masturbation haben. Im Gegenteil, der "Zeitgeist" ist vermutlich völlig unreflektiert, und deshalb können wir uns auch nicht darauf verlassen, daß die Art und Weise auf die so viele Menschen heute mit diesem Thema umgehen, richtig und sinnvoll ist. Wie hat Gandhi so schön gesagt: "The truth remains the truth. Even in the minority of one." (Die Wahrheit bleibt die Wahrheit. Auch wenn sie von nur einem einzelnen vertreten wird.) Also, NOCH einmal zusammengefaßt: Ja, wir müssen einen ganz festen Entschluß fassen, uns endgültig und restlos von der Sucht abzuwenden, auch dann wenn sie uns am verlockendsten erscheint. Und dabei hilft es, daß wir uns klar machen, daß es in diesem Kampf um nichts Geringeres geht als unsere dauerhafte persönliche Freiheit! Es geht um unsere Freiheit, unsere echte, wahre Freiheit! - - - 2. Das Lösen von der Sucht geht nicht einfach mal so in ein paar Tagen. Auch das ist vollkommen richtig. Gorbatschow hat dazu gesagt: "Komplexe Probleme haben keine einfache Lösung. Man muß den Faden geduldig entwirren." Ich denke auch, daß man sich ganz tiefgreifend mit sich selber auseinandersetzen muß, wenn man so lange süchtig gewesen ist, um wirklich dauerhaft die Sucht zu überwinden. Das kann sehr mühsam, kräftezehrend und bisweilen aus äußerst enttäuschend sein. Sich zum Beispiel selber einzugestehen, wie Willens schwach man in Wirklichkeit ist, und wie mühsam es sein wird, die Willenskraft wieder aufzubauen – das kann einem schon etwas den Wind aus den Segeln nehmen. 3. Ja, und ich denke auch, daß man seine ganz individuellen Muster herausfinden muß. Das hast Du vollkommen richtig erkannt. Es reicht nicht, ein paar allgemeine Verhaltensregeln zu befolgen. Man muß sich eben tatsächlich ganz tiefgreifend mit den eigenen Denkmuster und Gewohnheiten auseinandersetzen. Dafür ist die Vipassana-Meditation, von der ich Dir in einem anderen Beitrag einen Link geschickt habe, ein äußerst effektives Mittel. Wie gesagt: Diese Kurse sind ziemlich hart. Aber dort kannst Du Dich fundamental mit Dir auseinandersetzen. Du kannst sozusagen dem "craving" das erste Mal direkt in die Augen schauen. 4. Ich denke auch, daß man die ganze Zeit über sehr wachsam sein muß. Die Buddhisten nennen das Achtsamkeit, und sie sprechen davon die Sinnestore zu bewachen. Ich denke, wir müssen jedoch aufpassen, daß wir uns mit dieser Wachsamkeit auch nicht verrückt machen, daß wir uns eben keinen Gedanken-Polizisten anschaffen, der die ganze unsere Gedanken bewacht und beurteilt. Ich glaube es ist auf Dauer kontraproduktiv, wenn man ständig damit beschäftigt ist, auch die kleinsten Regungen und Gedanken positiv oder negativ zu bewerten. Einfach, weil es zuviel Streß erzeugt. Ich denke, es ist besser sich vor Augen zu halten, daß wir eben eine ganze natürliche Veranlagung zur Sexualität, und damit auch zur Geilheit haben. Das einzige, worauf wir achten müssen, ist eben, daß diese natürliche Veranlagung nicht ausufert und zur Gier wird. So, wie ich es in meinem Beispiel mit der Pizza beschrieben habe. Wir müssen also vor allem darauf achten, daß wir keine Extreme erzeugen. 5. Ja, man muß sich tatsächlich auch immer wieder vor Augen halten, aus welchen Gründen man sich von der Sucht befreien will. Gerade wenn die Sucht am verlockendsten ist, muß man: Denken, denken, denken! Aber man muß auch: Üben, üben, üben! Und damit meine ich, daß man sich eben nicht nur immer wieder klar machen muß, warum man die schlechten Gewohnheiten der Sucht beseitigen will. Sondern man muß auch neue, frische konstruktive Verhaltensmuster und Gewohnheiten schaffen. Wie Du ja schon unter Punkt zwei angedeutet hast. 6. Niemals aufgeben! – Das ist tatsächlich die Grundlage für alles. Wir müssen uns bereitwillig auf einen langen, zähen Kampf einstellen. Wir müssen beständig kraftvoll weiter streben, wie eine Lokomotive. Egal wie heftig die Rückschläge auch sein mögen. Wir müssen immer wieder aufstehen und immer weiter kämpfen. Mit dieser Einstellung werden wir uns eines Tages vollkommen befreien! In diesem heroischen Sinne, Paul
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10.05.2012 20:29:26 | ||
kätzchen | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 108 Mitglied seit: 14.03.2012 IP-Adresse: gespeichert | Hallo Paul, ich werde die nächsten Tage Deine Texte studieren und wenn ich was finde, was mir dabei auffällt, bist Du der erste, dem ich es schreiben werde! Und noch was: Glaub mir, Kampf ist es für uns alle! Und wären wir nicht hier bei der Sucht, dann höchstwahrscheinlich auf einer anderen Baustelle unseres Lebens. Wichtig ist, was wir daraus machen und das wir dort ankommen, wo wir hingehören. Wie wir dorthin kommen, auf welchen Umwegen auch immer, wird über kurz oder lang egal sein. Einzig und allein zählt das Ziel. lg kätzchen | |
10.05.2012 21:16:44 | ||
kätzchen | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 108 Mitglied seit: 14.03.2012 IP-Adresse: gespeichert | Hallo lieber Paul, also ich habe mich ans Werk gemacht, aber das wird noch dauern, bis ich da durch bin. Ach ja, ich weiß jetzt, was Du wohl beruflich machst. Du bist Schriftsteller, oder? Das ist ja schon ein ganzes Buch hier. Ich hätte das gern in Buchform mit Original-Signatur. Danke. Spaß beiseite, was ich bis jetzt gelesen habe, ist interessant. Und ich bin schon gespannt, was es bei mir so an Gefühlen intuitiv hervorruft. Ich werde berichten, aber ich brauch ein bisschen Zeit dazu. lg kätzchen Auch Andis Gedanken und Hinweise sind interessant, ich finde es wichtig, das Problem zu erkennen und dann auch anzugehen, denn sonst KANN sich nichts ändern! | |
11.05.2012 10:35:57 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Hey Andi, Mach Dir keinen Streß draus. Es freut mich natürlich, wenn Du hilfreiche Sachen in dem findest, was ich schreibe. Aber gerade Deine Beiträge motivieren mich auch immer wieder, mich selber wieder auf's neue meinen Schwierigkeiten und Problemen zu stellen. Es tröstet mich auch, wenn ich sehe, daß ich die negativen Erfahrungen, die ich mit der Sucht gemacht habe, zumindest teilweise zu etwas verarbeiten kann, das anderen hilft und sie weiterbringt. Dann war diese Zeit nicht völlig nutzlos und verschwendet. - Im Buddhismus gibt es dafür ein schönes Bild: Die Lotosblüte, die aus dem Schlamm wächst. Was die dunklen Seiten der Pornographie angeht, kann ich Dich gut verstehen. Auch ich schäme mich sehr für diese Sachen. Doch es hat mich schon mal sehr beruhigt, daß ich unter anderem auf yourbrainonporn.com gelernt habe, daß diese "Porno-Karriere" nicht ungewöhnlich ist. Außerdem bin ich mir inzwischen ganz sicher, daß diese pervertierte Veranlagung sich langsam zurück entwickelt, und daß sie irgendwann ganz verschwunden ist. Genau so, wie ich Rauchen inzwischen ja auch wieder eklig finde. Schönes Wochenende, Paul
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11.05.2012 19:04:28 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Liebes Kätzchen, Es freut mich, daß Du Dich "ans Werk" gemacht hast, und ich bin mal gespannt, was Dir dazu einfällt. Wie gesagt: Trau Dich und nimm kein Blatt vor den Mund. Aber setzt auch Du Dich nicht unter Streß. Mir ist klar, daß ich zumindest teilweise einen großen Output habe, und nicht bei allem bin ich mir sicher, ob es wirklich wertvoll für andere ist. Fühl Dich also nicht verpflichtet. Schriftsteller bin ich übrigens nicht. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende, Paul
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11.05.2012 19:11:57 | ||
Paul Mila | ||
Gruppe: Benutzer Rang: Beiträge: 176 Mitglied seit: 15.02.2012 IP-Adresse: gespeichert | Freitag, 11. Mai 2012: Heute nur ein kurzer Eintrag. Ich habe besonders viel über "wahre Freiheit" nachgedacht, und ich merke, daß mich dieses Ziel wirklich motiviert. Wirklich richtig frei von meiner Sucht zu sein. Deshalb habe ich heute wieder damit angefangen, wirklich durchgehen aufmerksam darauf zu achten, daß ich nicht in irgendein Suchtverhalten oder Suchtdenken verfalle. Ich bin heute zum Beispiel mal mit gesenktem Blick durch die Stadt gegangen. Das heißt, ich habe meinen Blick immer zwischen 15m und 30m vor mir auf dem Boden ruhen lassen. Ich habe dann schnell registriert, wenn hübsche Frauen in mein Gesichtsfeld getreten sind, doch ich habe sie nicht direkt angeschaut. Kling vielleicht ein bißchen übetrieben. Doch was ich deutlich merke, ist, daß mein Geist dadurch einfach deutlich ruhiger bleibt, als wenn ich mit den Augen ständig hin- und herspringe, von einem Lustobjekt zum nächsten. Außerdem habe ich mir gedacht: Was soll's? Von all den Frauen, denen ich tagtäglich nachschaue, spreche ich doch, wenn überhaupt, eine aus zehntausenden an. Aus dem hinterherschauen entwickelt sich also zu 99,99999% nichts. Es bringt mir also gar nichts, und ich verpasse auch gar nichts, wenn ich mal 'ne Zeit lang ganz bewußt NICHT hinschaue. Ich glaube, das wird mir helfen, Paul
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11.05.2012 19:35:51 | ||
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